Zimmermädchen wehren sich
Spaniens Tourismus erwartet 2016 ein Rekordjahr mit 70 Millionen Gästen. Die Bestmarken sind jedoch nur mit moderner Sklaverei in den Hotels zu erreichen. Das scheint sich nun zu ändern.
PALMA. Spaniens Tourismus boomt wie noch nie, das Königreich erwartet für 2016 einen neuen Urlauberrekord mit 70 Millionen ausländischen Gästen, die Hotelbranche macht blendende Geschäfte – doch die Arbeitsbedingungen der Zimmermädchen werden immer schlechter. „Wir sind Arbeitnehmerinnen, keine Sklavinnen“, rufen sie, beklagen „wachsende Ausbeutung“und steigen im ganzen Land auf die Barrikaden.
Auch in Mallorcas Inselhauptstadt Palma gingen dieser Tage die Zimmermädchen auf die Straße. Eine von ihnen namens Nani ergriff auf der Kundgebung in der City das Mikrofon und berichtete vom harten Alltag dieser guten Geister, die für das Bettenmachen, Toilettenputzen und Zimmeraufräumen zuständig sind. Ein Knochenjob, für den nur wenig gezahlt wird. „Wir werden von allen am schlechtesten entlohnt.“Rund 1000 Euro monatlich verdienen die spanischen Zimmermädchen, soweit sie direkt vom Hotel angestellt sind und nach Branchentarif bezahlt werden. Wenn sie von externen Reinigungsoder Zeitarbeitsfirmen kommen, was immer häufiger vorkommt, wird kaum mehr als der gesetzliche Mindestlohn von 655 Euro bezahlt. Dafür müssen sie im Akkord die Gästezimmer in Ordnung bringen bis zu 30 am Tag. Wer sein Pensum nicht schafft, weil die Gäste rücksichtslos waren und einen Schweinestall hinterließen, muss unbezahlte Überstunden machen. „Wir haben nicht einmal Zeit, um auf die Toilette zu gehen“, berichtete Shirley, eine Kollegin Nanis. „Oft machen wir keine Essenspause, um fertig zu werden.“Viele halten den Arbeitstag nur durch, weil sie Tabletten nehmen. Sie berichten im Fernsehen, wie sie „mit Hungerlöhnen abgespeist werden“. Wie sie gefeuert werden, wenn sie mit krummen Rücken und Gelenkschmerzen krank werden. Das Schicksal der Zimmermädchen bewegt inzwischen die spanische Nation.
Der Aufschrei der Zimmermädchen, die in Wirklichkeit keine Mädchen, sondern gestandene Frauen sind, die oftmals schon Jahrzehnte im Zimmerservice schuften, beschäftigt inzwischen die Politik. Das Regionalparlament der Baleareninseln, zu denen das Ferienparadies Mallorca gehört, forderte, die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Und den Zimmermädchen jene Anerkennung zu verschaffen, die sie verdienen. Sie seien die „wahren Stars der Hotels“. Auf Mallorca und den anderen Baleareninseln schuften rund 30.000 Zimmermädchen – „die Mehrheit unter unwürdigen Umständen“, sagen die Gewerkschaften. Rund 5000 Kräfte müssten zusätzlich eingestellt werden, um für akzeptable Arbeitsbedingungen zu sorgen. Nur wenige wagten, sich zu beschweren. „Sie haben Angst, ihren Job zu verlieren, das können sie sich nicht leisten“, heißt es. Die Standardantwort der Arbeitgeber lautet: „Wenn du nicht mehr willst, vor der Tür warten 50 Jobsuchende.“Die Arbeitslosenrate liegt in Spanien bei 20 Prozent.
Inzwischen haben sich Zausende Zimmermädchen in einer Facebook-Gruppe mit dem Namen „Las Kellys“zusammengeschlossen. Sie berichten dort über ihren Alltag, über Tränen und Wut. Sie machen sich gegenseitig Mut, verabreden sich zu Protestaktionen vor jenen Hotels, in denen die Zustände besonders schlimm sind. Und sie gehen an die Öffentlichkeit: „Wir werden nicht schweigen.“
„Wir haben nicht einmal die Zeit, um auf die Toilette zu gehen.“