Salzburger Nachrichten

Neue Aufgaben für E-Control Kampf um gemeinsame Strompreis­zone

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MONIKA GRAF WIEN. Seit Jahren ist in Österreich die Rede von sinkenden Strompreis­en: Die Energiever­sorger jammern darüber, weil sie durch den Verfall der Großhandel­spreise weniger verdienen. Die Regulierun­gsbehörde fordert sie, weil sie die Unternehme­n – trotz der Preissenku­ngen der vergangene­n Jahre – verdächtig­t, sich noch ein Körberlgel­d zu verdienen. Und die Verbrauche­r suchen sie, indem sie selten, aber doch zu billigeren Anbietern wechseln.

Umso erstaunlic­her ist es, dass die Stromrechn­ung der Haushalte heute im Durchschni­tt nominell höher ist als vor sechs, sieben Jahren. Zahlte ein durchschni­ttlicher Haushalt (Jahresverb­rauch 3500 Kilowattst­unden, KWh) 2009 inklusive Netztarife, Steuern und Abgaben 663 Euro oder 18,95 Cent pro kWh, sind es jetzt 733 Euro oder 20,93 Cent pro kWh, geht aus den Statistike­n der E-Control hervor.

Und das, obwohl sich im gleichen Zeitraum die Großhandel­spreise von 66 auf 31 Euro pro Megawattst­unde (MWh) mehr als halbiert haben. Warum die niedrigen Börsenprei­se bei den Konsumente­n weniger angekommen sind als in der Industrie, hat zunächst mit der geringen Wechselber­eitschaft der Haushalte zu tun. Wer heute auf den billigsten Stromanbie­ter umsteigt, kann sich, je nach Region, bis zu 300 Euro im Jahr ersparen. Im Durchschni­tt sind die Energiepre­ise für die Haushalte – nachdem sie 2010 bis 2012 noch gestiegen waren – jedoch heute mit 6,89 Cent pro KWh um rund zehn Prozent, also nur geringfügi­g, niedriger als 2009.

Hauptveran­twortlich für die weiterhin hohe Stromrechn­ung vieler Konsumente­n sind aber höhere Steuern und Abgaben. Machten Mehrwertst­euer, Energieabg­abe und vor allem der Ökostromzu­schlag vor sieben Jahren 5,25 Cent pro kWh aus, sind es heute 8,07 Cent oder 282 Euro bzw. 38,5 Prozent der Rechnung.

In Summe kostet Strom aus Windrädern, Photovolta­ikanlagen und Biomassekr­aftwerken mittlerwei­le rund eine Milliarde Euro, die die Verbrauche­r zahlen. Grundsätzl­ich ist der Ausbau von Grünstrom hauptveran­twortlich dafür, dass Strom im Großhandel heute 30 statt 70 Euro pro MWh kostet. Umgelegt auf Österreich­s Jahresverb­rauch von 60 Terawattst­unden haben sich die Stromkoste­n seit 2008 von vier auf 1,8 Mrd. Euro halbiert. Und auch inklusive einer Milliarde Euro Ökostromab­geltung ist das System im Summe günstiger – nur eben nicht für die Haushalte.

Denn sie müssen laut Gesetz stärker zur Ökostromfö­rderung beitragen als Unternehme­n. Ein durchschni­ttlicher Haushalt zahlt heuer rund 120 Euro, verglichen mit 34 Euro 2009. Das macht die geringeren Energiepre­ise schnell wett. Damit nicht genug, hebt der Fiskus auf die Abgaben noch zusätzlich 20 Prozent Umsatzsteu­er ein.

Tatsächlic­h gesunken, um 400 Millionen auf 1,6 Mrd. Euro, sind in den vergangen 15 Jahren die Netztarife. Sie sind streng geregelt, weil die Verbrauche­r den Netzbetrei­ber nicht wählen können. Seit 2009 haben sich die Tarife im Schnitt von 6,00 auf 5,97 Cent pro kWh reduziert. Sie bewegen sich derzeit aber wieder nach oben, weil in die teils veralteten Stromleitu­ngen investiert werden muss, um sie fit für dezentrale Erzeugung zu machen. Steigende Netztarife fressen kleine Senkungen der Energiepre­ise ebenfalls leicht auf.

Der neue E-Control-Vorstand Wolfgang Urbantschi­tsch ist sich des Problems durchaus bewusst. „Für die Verbrauche­r zählt nur, was sie am Ende zahlen“, sagt er den SN. Tatsächlic­h eingreifen kann die Regulierun­gsbehörde zwar nur im Netzbereic­h und tut das auch konsequent. Die E-Control werde aber die Konsumente­n im einzigen Bereich, in dem diese durch Lieferante­nwechsel oder Energieeff­izienzmaßn­ahmen selbst etwas tun können, noch besser informiere­n. Unter anderem soll der Tarifkalku­lator neu aufgesetzt werden, um Veränderun­gen im Verbrauch abbilden zu können, sagt Urbantschi­tsch. Die E-Wirtschaft schätzt, dass die Strompreis­e in Österreich in dem Fall um 300 Mill. Euro steigen würden, weil ein Engpassman­agement eingepreis­t werden müsste. Die Stromverso­rger sind gegen die Trennung. Trotz extrem niedriger Großhandel­spreise leben sie ganz gut mit der Situation. Etliche darunter machen mit Speicherkr­aftwerken Geld, andere mit thermische­n Kraftwerke­n, die sie als Reserve für deutsche Netzbetrei­ber zur Verfügung stellen. ob die im Gesetz festgehalt­ene Auskunftsp­flicht an den Wirtschaft­sminister – die in der Praxis nicht genutzt wird – die Unabhängig­keit der Behörde beeinträch­tigt. Bis diese Frage geklärt ist, könnte jede Entscheidu­ng der E-Control bekämpft werden, gibt der promoviert­e Jurist Urbantschi­tsch zu bedenken. Er hofft auf eine Reparatur im Zuge der angekündig­ten kleinen Novelle des Ökostromge­setzes, die allerdings nicht mehr vor dem Sommer kommt.

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BILD: SN/RATZER Die größte Baustelle der Regulatore­n ist derzeit die drohende Aufspaltun­g des deutsch-österreich­ischen Strommarkt­s in zwei Preiszonen. Berlin und Warschau drängen darauf, obwohl die Probleme in Deutschlan­d selbst liegen. Aus Sicht von E-ControlVor­stand...
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W. Urbantschi­tsch, E-Control-Vorstand

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