Gegen Island steht viel auf dem Spiel
Es geht um mehr als nur um drei Punkte und den Achtelfinalaufstieg. Österreichs Fußball-Nationalmannschaft kämpft auch um den guten Ruf, den sie sich in den letzten Jahren aufgebaut hat. „Wir werden alles tun, um noch länger hier zu bleiben.“
Es ist Matchtag minus eins, wie es in der offiziellen UEFA-Sprachregelung bei der EURO in Frankreich heißt. Österreichs Nationalmannschaft geht das Prozedere zum dritten Mal durch: Einsteigen in den Bus im Camp in Mallemort, Abfliegen in Avignon, Landung am Spielort, Abschlusstraining dortselbst.
Es könnte schon das letzte Mal sein, dass Marcel Koller und sein Team diese Routine durchlaufen. Nur ein Sieg morgen, Mittwoch (18 Uhr, live in ORF eins), gegen Island verhindert das vorzeitige Ausscheiden. Eine große Aufgabe wartet im größten EURO-Stadion in ParisSaint Denis. Sollte die ÖFB-Truppe scheitern, ist vieles infrage gestellt, was sie sich im Lauf der letzten Jahre aufgebaut hat:
Erfolgsimage
Mit der beispiellosen Erfolgsserie unter Marcel Koller hat das Nationalteam ein völlig neues Bild von der Fußballbranche in der Öffentlichkeit aufgebaut. Vorher Pointenlieferanten für die Kabarettistenbranche, nun Vorbilder für das ganze Land. Vorher Projektionsfläche für die rot-weiß-rote Raunzergesellschaft, nun die Bannerträger für die Gerhard Öhlinger berichtet für die SN aus Mallemort Leistungswilligen im Lande. Gerade ein Großereignis weckt auch bei sonst fußballfernen Menschen Interesse und das Bedürfnis mitzureden. Es bedurfte nur eines verlorenen EURO-Spiels gegen Ungarn, und schon wussten viele wieder ganz genau, warum „wir“sowieso nie etwas gewinnen können.
Ein Misserfolg in Frankreich könnte nach dem Aufschwung nun eine Abwärtsspirale in Gang setzen. Weniger Interesse, weniger Begeisterung, weniger Sponsoren. Mit Verlierern will sich niemand schmücken.
Kollers Weg
Die Basis dafür, dass Österreich sich für Frankreich qualifizieren konnte, wurde schon viele Jahre früher gelegt. ÖFB-Sportdirektor Willi Ruttensteiner schaute sich das Beste bei den führenden Fußballnationen ab, adaptierte es an die heimischen Gegebenheiten und setzte seinen „österreichischen Weg“in der Ausbildung durch. Mittlerweile kommen andere zu uns, um das Erfolgsgeheimnis zu ergründen. Mit Teamchef Marcel Koller erhielt das Modell den letzten Schliff. Seine Prinzipien sorgten für eine geradlinige und kontinuierliche Arbeit beim Nationalteam. Der Erfolg gab dem Gespann recht. Ob gerechtfertigt oder nicht: Bei einer frühen Abreise aus Frankreich würde vieles infrage gestellt.
Spielerzukunft
Starke Darbietungen im Schaufenster eines großen Turniers sind immer noch eine gute Bewerbungsunterlage auf dem fußballerischen Stellenmarkt. Manch einer im ÖFBKader hat die Entscheidung über seinen zukünftigen Arbeitsplatz auch aus diesem Grund noch offengelassen.
Davon abgesehen befindet sich der Kern des Teams in einem Alter, in dem es nicht mehr viele weitere Gelegenheiten zum Dabeisein bei einem großen Turnier geben wird. Das muss Ansporn genug sein, mit letztem Einsatz um eine Verlängerung des EURO-Abenteuers zu kämpfen. „Wir werden alles dafür tun, noch länger hier zu bleiben“, erklärte stellvertretend für alle Kapitän Christian Fuchs.
Begeisterung
Rund 25.000 Österreicher werden morgen im Stade de France mit dabei sein. Insgesamt waren es bisher rund 70.000 Landsleute, die ihrem Nationalteam nach Frankreich nachgereist sind. Schon während der Qualifikation war der riesige Fan-Tross ein Rückhalt. Eine solche rot-weiß-rote Begeisterungswelle hat es in in diesem Ausmaß noch nie gegeben. Es ist fraglich, ob diese nach einer mäßigen EURO in der WM-Qualifikation anhalten würde.
Bewerbsroutine
Manche Teamakteure ließen durchblicken: Die besonderen Umstände eines solchen Turniers waren gewöhnungsbedürftig. Von der langen Vorbereitung bis hin zur raschen Abfolge der Spiele. Das bedeutet Beanspruchung für Geist und Körper. Regelmäßige Teilnehmer an Endrunden haben darin Routine, für David Alaba und Co. ist es neu. Jede Runde Erfahrung, die jetzt gesammelt wird, kann sich in Zukunft als wertvoll erweisen.