Der lange Arm Erdogans macht Österreichern Angst
Die Erdoğan-Türkei hat in der EU nichts verloren. Das Land erfüllt die Kriterien für einen Beitritt nicht. Eine Partnerschaft ist möglich.
Was derzeit in der Türkei abgeht, ist bizarr: Der Staatspräsident richtet sich das Land nach seinem gruseligen Geschmack her: kritische Journalisten, liberale Lehrer, gemäßigte Beamte, unabhängige Richter, verfassungstreue Polizisten – alle weg. Wer im Verdacht steht, irgendetwas mit Erdoğans religiösem Gegenspieler Fethullah Gülen zu tun oder möglicherweise einen Kurden in der entfernten Verwandtschaft zu haben, wird seines Amts enthoben oder gar ins Gefängnis gesteckt.
Zu allem Überfluss lässt Erdoğan jetzt über die Wiedereinführung der Todesstrafe nachdenken. Die Türkei, einst ein hoffnungsvolles Land auf dem Weg in ein freies Europa, geht schnurstracks zurück ins finstere Mittelalter.
In der EU hat das Land unter diesen Umständen nichts verloren. Es wäre besser, die derzeit laufenden Beitrittsverhandlungen abzubrechen. Ob nun Todesstrafe oder nicht, die Türkei erfüllt auch sonst die Voraussetzungen für eine Aufnahme in die Union nicht. Dazu gehören nämlich ein funktionierender Rechtsstaat, Demokratie und vor allem die Einhaltung der Menschenrechte.
Da Europa die Türkei aus wirtschaftlichen und militärischen Gründen braucht, sollte weiterhin eine Partnerschaft angepeilt werden. Die einstige EUKommissarin aus Österreich, Benita Ferrero-Waldner, hat für Länder wie die Türkei oder die Ukraine nie einen Beitritt ins Auge gefasst, sondern den Status einer „privilegierten Partnerschaft“angestrebt. Etwas, was jetzt auch die Briten haben möchten.
Die derzeit auf Abwegen befindliche Türkei ganz zu verstoßen wäre falsch und überzogen. Würde die EU mit niemandem mehr reden, der mit Menschenrechten auf Kriegsfuß steht und sogar die Todesstrafe anwendet, ihr Schmusekurs zu den USA oder China müsste längst beendet sein. Man sollte hier nicht mit zweierlei Maß messen.
Angst macht vielen Österreichern der lange Arm des Erdoğan-Regimes über die eigenen Grenzen hinaus. Illegale Demonstrationen, Aufrufe zur Vernaderung der eigenen Landsleute, tätliche Übergriffe auf Kurden – und das alles in Österreich. Hier wird ein Konflikt in unser Land getragen. Das wollen wir aber nicht.
Dass türkischstämmige Menschen über die Ereignisse in ihrer früheren Heimat beunruhigt sind, ist verständlich. Dass sie aber unsere Straßen zum Schauplatz ihres Frusts machen und ein Spitzelwesen für den Sultan aufziehen wollen, geht gar nicht.