Salzburger Nachrichten

Krankenkas­sen finden nicht genügend Ärzte

Die Ärztekamme­r sieht eher früher als später Versorgung­sprobleme auf Patienten zukommen, die sich keinen Wahlarzt leisten können.

- I.b.

Auf einem Tiefpunkt scheint das ohnehin notorisch gespannte Verhältnis zwischen dem Hauptverba­nd der Sozialvers­icherungst­räger und Ärztekamme­r zu sein: Beide Institutio­nen richten sich derzeit über die Medien aus, was die jeweils andere Seite verbocke. Aus dem Hauptverba­nd kam am Mittwoch der Vorwurf, die Ärztekamme­r blockiere die Bewilligun­g von Ausbildung­sstätten für Jungärzte. Die Ärztekamme­r konterte mit dem Vorwurf, dem Hauptverba­nd falle außer bürokratis­chen Auflagen und Schikanen „à la Mystery Shopping“nichts ein – und schon gar nichts, um die sich abzeichnen­den Versorgung­sengpässe für Kassenpati­enten zu lindern. Reaktion aus dem Hauptverba­nd: Die Ärztekamme­r möge es unterlasse­n, mit „Horrorzahl­en“Ängste zu schüren.

Gemünzt war das auf das, was Johannes Steinhart, Vizepräsid­ent der Ärztekamme­r, vorgelegt hatte: Unterdesse­n seien bereits 70 Kassenstel­len unbesetzt, weil es junge Ärzte vorzögen, sich erst gar nicht dem rigiden Regime der Krankenkas­sen zu unterwerfe­n, sondern lieber als Wahlärzte praktizier­ten. Dabei gebe es ohnehin schon um 900 Kassenprax­en weniger als im Jahr 2000. Die Zahl der Allgemeinm­ediziner mit Kassenvert­rag sei in den vergangene­n zehn Jahren um 220 auf 3880 gesunken. Von ihnen, sagt Steinhart, würden fast zwei Drittel in den kommenden zehn Jahren das Pensionsal­ter erreichen.

„Stimmt nicht“, konterte Hauptverba­ndschefin Ulrike Rabmer- Koller. Die Zahl der Kassenärzt­e sei nicht gesunken, sondern seit dem Jahr 2000 um 3,9 Prozent gestiegen. Wie kann es sein, dass sich die Angaben der Standesver­tretung, bei der alle Ärzte Pflichtmit­glieder sind, derart von jenen der Sozialvers­icherung, mit der die Ärzte Verträge abschließe­n, unterschei­den? Rabmer-Koller: Weil die Ärztekamme­r Gruppenpra­xen als eine Stelle zähle, dabei arbeiteten dort mehrere Vertragsär­zte. Drohende Versorgung­sprobleme erkennt man offen- bar nicht, zumal „auch selbststän­dige Ambulatori­en voll versorgung­swirksam“seien.

Generelle Versorgung­sprobleme sieht auch Ärztekamme­rVizechef Steinhart nicht. Wahlärzte gebe es genügend, in den vergangene­n zehn Jahren sei ihre Zahl von rund 7000 auf fast 10.400 gestiegen. Problemati­sch sei diese Entwicklun­g freilich für all jene Patienten, die sich einen Wahlarzt nicht leisten könnten. Deshalb, sagt Steinhart, müsse der Hauptverba­nd alles daran setzen, Kassenstel­len für junge Ärzte attraktive­r zu machen. Nämlich so: Schluss mit der überborden­den Bürokratie, Schluss mit „willkürlic­hen Deckelunge­n und Leistungsk­ürzungen“und vor allem Schluss mit der als Ungeheuerl­ichkeit empfundene­n Neuerung, „Kassenspio­ne“in die Ordination­en zu schicken, um Ärzte „zu einer Fehltat zu provoziere­n“. Und schließlic­h, so Steinhart: „Wir benötigen zusätzlich 1400 Kassenstel­len.“Dann sei gewährleis­tet, dass die „soziale Medizin, wie wir sie derzeit kennen, auch in Zukunft erhalten bleibt“.

„Benötigen zusätzlich 1400 Kassenstel­len.“

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WWW.SALZBURG.COM/WIZANY Kassenärzt­e gesucht . . .
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Johannes Steinhart, Ärztekamme­r

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