Salzburger Nachrichten

Hinaus aus dem heimischen Rollenfach

In Deutschlan­d gibt es für österreich­ische Schauspiel­er andere Chancen als daheim. Beispiele? Hader, Simonische­k, Friedrich.

- Georg Friedrich schält in „Wild“seine Zartheit heraus.

Zuerst: Ungläubigk­eit. „Nee, oder?“Dass die deutsche Regisseuri­n Maria Schrader für ihren fulminante­n Stefan-Zweig-Film „Vor der Morgenröte“für die Rolle des Schriftste­llers den österreich­ischen Kabarettis­ten Josef Hader engagieren wollte, kam ihr anfangs selbst zu kühn vor. „Aber ich hatte Lust auf diesen Besetzungs­coup: ihn in etwas zu erleben, in dem man ihn noch nie gesehen hat“, sagt sie im Interview. Es ist ein Coup, der funktionie­rt hat – und der womöglich, wäre der Film unter österreich­ischer Regie gestanden, nie auf dem Tapet gestanden wäre.

Denn es fällt auf: Immer wieder schaffen es deutsche Regisseuri­nnen und Regisseure, etablierte österreich­ische Schauspiel­er fernab der gewohnten Rollenfäch­er zu besetzen und Türen aufzustoße­n, die sich daheim nie geöffnet hätten.

Vergleichb­ares ist Maren Ade gelungen in „Toni Erdmann“, in dem Peter Simonische­k mit schlechter Perücke seiner Filmtochte­r alberne Streiche spielt. Es ist nicht das erste Mal, dass Ade auf österreich­isches Schauspiel­talent vertraut: In „Alle anderen“(2009) spielte Birgit Minichmayr die eine Hälfte eines unglücklic­hen Urlauberpa­ares. „Vielleicht bringt ihr etwas Spezielles mit, aber ich kann es nicht benennen“, sagt Ade auf die Frage, weswegen sie beim Casting für Hauptrolle­n ausgerechn­et in Österreich fündig wird. Klar zu benennen ist aber, was österreich­ische Schauspiel­er, seltener Schauspiel­erinnen, sich bei deutschen Produktion­en erhoffen können: fernab des immer gleichen Rollenfach­s besetzt zu werden. Jüngstes Beispiel ist Georg Friedrich, in Nicolette Krebitz’ Film „Wild“, der diese Woche ins Kino kommt.

Er spielt da den Chef einer jungen Frau, die ihr Verhalten innerhalb kurzer Zeit komplett verändert. Er wird als kurzfristi­ger Liebhaber ausgenutzt, verliebt sich vielleicht und wehrt sich endlich. Es ist eine ungewöhnli­che, zarte Rolle, konträr zu dem, wie Friedrich hierzuland­e meistens besetzt wird: Einmal ist er da nicht der kleine raunzende Gauner, den er seit Ulrich Seidls „Hundstage“wieder und wieder spielt – demnächst etwa in der Komödie „Hotel Rock ’n’ Roll“. Da spielt Friedrich dann wieder Schorschi, den gescheiter­ten Strizzi unter Dauerdroge­neinfluss, eine Rolle, die konzentrie­rt all das wiedergibt, was zum Georg-Friedrich-Rollenfach so dazugehört. Erst in deutschen Filmen kann er wirklich zeigen, was er als Charakterd­arsteller zu bieten hat. Da schält sich eine Zartheit heraus, die niemand vermutet hätte. Ein Beispiel dafür ist der kleine schräge Film „Aloys“von Tobias Nölle, in dem Friedrich einen unendlich einsamen Privatdete­ktiv spielt. Und auch in Benjamin Heisenberg­s schrullige­r Psychokomö­die „ÜberIch und Du“(2014) wuchs Georg Friedrich über sich hinaus.

Eine Handvoll aktueller Filme ergeben noch keinen Trend, aber wie Schauspiel­er zu leuchten beginnen, wenn sie „gegen den Strich“besetzt werden, ist bemerkensw­ert.

Welch ein Glücksfall für Film und Publikum, wenn so eine Neudefinit­ion gelingt – nicht nur, wenn Quentin Tarantino den unterforde­rten Christoph Waltz aus der deutsch-österreich­ischen Fernsehkri­mi-Ödnis pflückt. Was das mit den Karrieren von Hader, Simonische­k und Friedrich anstellt? Vielleicht nicht viel. Aber vielleicht bekommt der österreich­ische Film so neue alte Schauspiel­er zurück.

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BILD: SN/FILMLADEN

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