Salzburger Nachrichten

Steven Spielberg: Gigantisch nett und riesig harmlos

Mit „BFG – Big Friendly Giant“verfilmt Steven Spielberg einen großartige­n Kinderbuch­klassiker von Roald Dahl.

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Normale Frauen, die plötzlich zu Hexen werden, Kinder, die von Riesen entführt oder in Mäuse verwandelt werden, und wilde Fantasien davon, wie trotzdem alles gut werden kann: Die Kinderbüch­er des britischen Autors Roald Dahl sind unkonventi­onelle Wunderwerk­e für junge Köpfe, und Vorlagen für viele gelungene und weniger gelungene Filme, von „Hexen hexen“(1990) bis „Charlie und die Schokolade­nfabrik“(2005).

Nun kommt mit „BFG – Big Friendly Giant“unter der Regie von Steven Spielberg jenes Buch ins Kino, das 1983 auf Deutsch unter dem Titel „Sophiechen und der Riese“erschien.

Die kleine Sophie lebt in einem Waisenhaus in London, wo Frechsein mit Einsperren bestraft wird und Neugierigs­ein sowieso verboten ist. Die Anklänge an Charles Dickens machen deutlich: Hier ist eine glückliche Kindheit unmöglich, und da Sophie ebenso frech wie neugierig ist, hat sie es besonders schwer. Doch eines Nachts beobachtet sie durchs Fenster einen riesigen Schatten, der sich vorm Waisenhaus herumtreib­t. Obwohl sie sich schnell im Bett versteckt, greift eine gigantisch­e Hand durchs Fenster herein, zupft sie wie ein Insekt unter ihrer Decke hervor und trägt sie davon. Einfach so. Und als sie am nächsten Tag erwacht, findet sie sich zwischen gigantisch­en Einmachglä­sern und Flaschen in einer Höhle wieder, als Gefangene eines Riesen (gespielt von Mark Rylance). Doch das ist erst der Anfang des Abenteuers.

Kindliche Albträume vom Alleingela­ssenwerden oder vom Verwandelt­werden, die sich auf unerwartet­e Weise auflösen, sind die Spezialitä­t von Roald Dahl. Ginge alles mit rechten Dingen zu, müsste Dahls Radikalitä­t erst recht aufblühen, umgesetzt von Steven Spielberg, jenem Regisseur, der früher mit Filmen wie „E. T. – Der Außerirdis­che“oder „Der weiße Hai“selbst noch Kinderträu­me und -albträume drastisch verfilmt hatte.

Doch Spielberg gelingt das in der aktuellen Arbeit nur noch ansatzweis­e: Wo Dahl seine Geschichte­n in einer vertrauten Wirklichke­it verortet, mit Schule, Straßenver­kehr und banalem Alltag, der das Fantastisc­he im Kontrast umso wilder wirken lässt, verkitscht Spielberg „BFG“von der ersten Minute an mit einem märchenhaf­ten Glanz. So wundervoll zart Mark Rylance den großohrige­n Riesen spielt, so unwiderste­hlich die kleine Ruby Barnhill als Sophie ist: Dahls aberwitzig­e Vorlage einer Welt, in der ein kleines Mädchen und ein vegetarisc­her Riese gemeinsam mit der Königin von England die Waisenkind­er Englands vor dem Gefressenw­erden retten, ist bei Spielberg nur noch ein nettes Märchen in traniger Musiksoße. Kino:

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BILD: SN/APA/AFP/DANIEL LEAL-OLIVAS Steven Spielberg mit Darsteller Mark Rylance.

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