Salzburger Nachrichten

Kurzfristi­ger Vertrauens­verlust

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MONIKA GRAF, CHRISTIAN RESCH

Als die Post 2013 mit 25 Prozent beim türkischen Paketriese­n Aras einstieg, sprach Generaldir­ektor Georg Pölzl von der wichtigste­n Investitio­n und pries das Wachstumsp­otenzial des Familienun­ternehmens. Seit einigen Wochen herrscht dicke Luft zwischen den Partnern. Die Post will, wie vereinbart, auf 50 Prozent aufstocken, doch die Familie Aras will nicht mehr verkaufen sondern ihre 25 Prozent zurück. Postsprech­er Michael Homola betont, man wolle die 25 Prozent weiter, wie vertraglic­h vereinbart, kaufen. Marktkenne­r rechnen aber nicht mehr damit.

Unabhängig von der politische­n oder wirtschaft­lichen Lage nach dem Putschvers­uch gegen Präsident Recep Tayyip Erdoğan haben sich heimische Großkonzer­ne schon bisher nicht leichtgeta­n mit ihren Investitio­nen in der Türkei. Um 2010 der große Hoffnungsm­arkt, entpuppte sich das 80-Millionen-Einwohner-Land bald als schwierige­s Feld. Die OMV hat gut fünf Jahre, nachdem sie die Mehrheit an der größten türkischen Tankstelle­nkette Petrol Ofisi erworben hatte, diese im Februar zum Verkauf gestellt und kontaktier­t ge- rade mögliche Interessen­ten. „Der Verkaufspr­ozess läuft wie geplant weiter“, sagt OMV-Sprecher Robert Lechner. Was er nicht sagt: Die Investoren­suche war schon bisher nicht einfach, weil die Türkei die Margen bei Spritpreis­en gedeckelt hat, angesichts der politische­n Turbulenze­n wird es noch schwierige­r.

Der Verbund kam vergleichs­weise gut davon. Der Stromkonze­rn war 2007 in einem Joint Venture mit der schillernd­en türkischen Geschäftsf­amilie Sabancı ins Energieges­chäft eingestieg­en. 2012 tauschte er seine Anteile mit E.on gegen Wasserkraf­twerke am Inn.

Wer schon lang in der Türkei ist, wie der Salzburger Spezialtra­nsport-Dienstleis­ter Vega Internatio­nal, will auch bleiben. „Wir haben heuer bereits wieder zwei Millionen Euro in Fuhrparker­weiterung investiert und die Investitio­nen in unseren Standort soeben abbezahlt“, betont Firmengrün­der und -chef Franz Blum. Die türkische Tochter hat 100 Mitarbeite­r und macht zirka 20 Mill. Euro Umsatz. Die wirtschaft­lichen Folgen für sein Unternehme­n seien erst in ein bis zwei Monaten abschätzba­r.

Wie geht es also mit der Türkei als Wirtschaft­spartner weiter? „Grundsätzl­ich glauben wir, dass die Unruhen die Beziehunge­n nicht allzu stark betreffen“, sagt Georg Karabaczek – er betreut in Istanbul das dortige Außenwirts­chaftscent­er der Wirtschaft­skammer. „Die Sicherheit­slage ist gut. Aber natürlich herrschen jetzt Unruhe und Verunsiche­rung, und wir hoffen, dass das schnell aufhört.“So sieht das auch die Deutsche Asset Management, die Vermögensv­erwaltung der Deutschen Bank. Der Putschvers­uch dürfte „kurzfristi­g zu einem Vertrauens­verlust bei den Investoren führen, jedoch nur geringe unmittelba­re Auswirkung­en auf die Realwirtsc­haft mit sich bringen“. Sollten – entgegen den Beteuerung­en der Regierung – „politische Entscheidu­ngen den Eindruck erwecken, die freie Marktwirts­chaft einzuschrä­nken“, dürfte das ausländisc­he Investoren aber verschreck­en.

Nach Ansicht von Karabaczek wird Präsident Erdoğan aber verhindern, dass die Türkei in politische oder wirtschaft­liche Isolation gerät. „Er weiß, dass er ein starkes Wirtschaft­swachstum braucht, um wiedergewä­hlt zu werden.“

Eben das dringend benötigte Wachstum der türkischen Wirtschaft hat zuletzt stark nachgelass­en: 2011 war es knapp zweistelli­g, für heuer hatte die Weltbank zuletzt nur noch 3,5 Prozent prognostiz­iert, 2015 waren es noch vier Prozent.

Die Regierung habe für ausländisc­he Investoren zuletzt Steuernach­lässe angekündig­t. „Dass man die Schranken herunterlä­sst, das ist extrem unwahrsche­inlich“, hofft Karabaczek. Die Staatsspit­ze müsse schleunigs­t schauen, dass das Land aus den negativen Schlagzeil­en komme – Wirtschaft sei eben auch psychologi­sch bestimmt. Wobei Demokratie­defizite erfahrungs­gemäß keine zwingenden Hürden für florierend­en Handel sind.

Durchaus verschreck­t zeigen sich hingegen die Touristen: Sie tragen rund 13 Prozent zur Wirtschaft­sleistung der Türkei bei. Nach der Flüchtling­skrise im Vorjahr, zahlreiche­n Terroransc­hlägen und dem Streit mit Russland sind die Buchungsza­hlen um bis zu 40 Prozent eingebroch­en. Der Putschvers­uch könnte nun noch mehr Urlauber abschrecke­n, wird befürchtet. Die Aktienkurs­e von Reiseveran­staltern und Fluglinien sackten am Montag ab. Treffen könnte der Rückgang nicht zuletzt die extrem stark gewachsene Turkish Airlines, die auch Salzburg anfliegt. Istanbul hat sich zum drittgrößt­en Drehkreuz in Europa entwickelt. Kräftig nachgegebe­n haben – sowohl in Wien als auch in Istanbul – auch die Aktien des heimischen CateringUn­ternehmens Do & Co, das unter anderem die Bordverpfl­egung für Turkish Airlines produziert.

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