Ein Teller Wald mit einer Prise Salz
Heute zeigt uns Josef Steffner, wie mit wenigen Zutaten der Duft des Waldes auf den Teller kommt. Es gibt gegrillte Pilze und Schwammerl, gehobeltes Reh, Kräutersalz und andere unvergessliche Drogen.
MAUTERNDORF. Die erste Frage bei der Zubereitung von Eierschwammerln und Steinpilzen lautet: Woher nehmen und nicht stehlen? Da gibt es drei Möglichkeiten.
Die erste: Wem die Zeit, die Muße und das Jagdfieber fehlt, der kauft sie einfach im Supermarkt (zumeist aus osteuropäischer und nicht selten fragwürdiger Herkunft).
Die zweite Möglichkeit: Ab in den Wald und selbst suchen. Laut Forstgesetz 1975 (ForstG) gönnt Ihnen der Staat täglich folgende Beute (laut § 174 Abs. 3 lit. b Z 2 und lit. d): Es ist erlaubt, maximal zwei Kilogramm Pilze pro Tag zu sammeln.
Aber dieser legale Weg weist uns auch auf eine dritte Möglichkeit hin: Es gibt ja auch – wie in Österreich üblich – zahlreiche Ausnahmeregelungen. Etwa Verbote in Wäldern. Das gilt vor allem für in Privatbesitz befindliche Wälder. Da kann man sich dann an eine gute alte Lebensweisheit des ORF-Moderators und Wanderer der Herzen, Sepp Forcher (85), halten. Forcher berichtet über folgende Vorgehensweise beim Schwammerlsuchen: „Ich suche nur dort, wo es verboten ist.“Auf die Nachfrage, ob wir das auch schreiben dürfen, antwortete er: „Ich habe nicht gesagt, dass ich dort jemals etwas gefunden habe.“Womit wir beim Kern der Sache wären: Es ist gar nicht so leicht, Schwammerl zu finden. Außer man sucht im Lungau.
Hier hat man es als Koch besonders schön. So wie Josef Steffner, der in Mauterndorf mit seiner Frau Maria eines der besten Restaurants Österreichs führt. Steffner spazierte kurz vor unserem Besuch ganz entspannt in den Wald und kehrte mit reicher Beute zurück. Wie er diese dann zubereitet hat, das sehen Sie unten im Rezeptkasten. Es gelang ihm tatsächlich, mit nur wenigen Handgriffen den Duft und den Geschmack des Waldes auf unsere Teller zu zaubern.
Ja, Sie haben richtig gelesen. Man kann den Wald schmecken. Jetzt mögen Sie einwenden, dass selten jemand in einen Wald gebissen hat. Wie soll man also wissen, wie ein Wald schmeckt? Das ist ganz einfach. Sie können einzelne Komponenten zusammenfügen. Wir alle wissen, wie Blätter, Nadeln und Tannenzapfen, Beeren und Holz schmecken. Wir wissen sogar, wie Stahl, Aluminium und Eisen schmecken. Woher dieses Wissen stammt? Aus unserer Kindheit. Wir haben alle diese Stoffe als Kinder erforscht. Auch mit dem Mund. Und unser Hirn hat all diese Geschmäcker abgespeichert. Von diesen Erinnerungen zehren wir noch heute.
Genau an diesem Punkt hakt auch Steffner in seinem Restaurant Mesnerhaus ein. Er weiß genau um die abgespeicherten Erinnerungen seiner Gäste Bescheid. Steffner ist überzeugt, dass man alle Ausgangsprodukte dieser Geschmäcker sammeln und auf einem Teller zu neuem Leben erwecken kann. Die Reaktivierung all dieser gespeicherten Walderlebnisse löst dann eine Art rauschhaften Zustand aus.
Was uns zu einem ganz anderen Pilz führt: Pilzesammler wissen ja, dass Fliegenpilze stets die Anwesenheit der begehrten Steinpilzen in unmittelbarer Nähe anzeigen. Aber der König unter den Pilzen ist und bleibt der vermeintlich giftige Fliegenpilz. Der ist aber nicht giftig, sondern nur gefährlich. Diesen Ruf hat er seiner Fähigkeit zu verdanken, halluzinatorische Erlebnisse hervorzurufen. Schon fünf Gramm Trockenmaterial des Fliegenpilzes sollen für Entspannung, Halbschlaf und positiv eingefärbte Träume sorgen. Aber trotzdem: Bitte Finger weg vom Fliegenpilz. Weil schon das Salz allein Droge genug ist. Es ist längst wissenschaftlich erwiesen, dass Salz bei Mensch und Tier dieselben Genmuster anspricht, die auch süchtig nach Drogen machen. Salz dürfte auch dem Reh zum Verhängnis geworden sein, dessen Fleisch uns Steffner nun präsentiert. Die Jäger stellen nämlich Salzlecken in ihren Revieren auf, um sie in Schussnähe zu halten.
Steffner salzt wenig. Und wenn, dann nur mit seinem selbst gemachten Kräutersalz. Er lässt den Düften und Geschmäckern des Waldes den Vortritt. Um sein Gesamtwerk auf dem Teller zu vollenden, greift er dann noch zu einer sogenannten Microplane. Das ist nichts anderes als eine unglaublich effiziente Parmesanreibe. Steffner reibt nun sein getrocknetes Rehfleisch über das Schwammerlund Pilzgericht. Jetzt riechen wir ganz bewusst. Der Duft des gehobelten getrockneten Rehfleischs steigt langsam empor.
Dass dieses wenige Fleisch plötzlich nach so viel mehr schmeckt – das ist eine feinsinnige Kunst, die nur die wirklich besten Köche beherrschen.