Salzburger Nachrichten

Instabilit­ät in der Heimat

- 5161 Elixhausen

Prof. Dr. Jordan (SN, 6. 7., S. 22) meint, die Migranten sollten besser zu Hause bleiben, um durch ihr soziales und politische­s Engagement die Instabilit­ät in ihrer Heimat zu verbessern. Diese Argumentat­ion, auch wenn sie gut gemeint und zum Teil sogar richtig ist, ist aber höchst problemati­sch, unter anderem weil so ein Argument den Rechtspopu­listen eine scheinmora­lische Rechtferti­gung dafür liefern kann, viele Flüchtling­e hätten eigentlich gar kein moralische­s Recht, hier zu sein. Wenn daher diese Argumentat­ion nicht in die falsche Richtung führen soll, dann muss man diese durch eine ganzheitli­che Sicht ergänzen, unter anderem durch eine gründliche­re Analyse der wichtigste­n Ursachen, die für das gegenwärti­ge Flüchtling­selend mitverantw­ortlich sind. In keinem Fall darf der ungerechtf­ertigte Eindruck entstehen, dass bloß die Flüchtling­e für ihr Elend verantwort­lich seien. In den meisten Fällen, und da wird mir Prof. Jordan vermutlich zustimmen, liegen die Ursachen dieses Elends zunächst in den undemokrat­ischen, asozialen, dikta- torischen und korrupten Zuständen der Regierunge­n der Herkunftsl­änder. Unsere Wohlstands­gesellscha­ft ist für die diktatoris­chen und korrupten Zustände vieler Regierunge­n in Afrika und im Nahen Osten mitverantw­ortlich. Denn die Neokolonia­listen, die von den Bodenschät­zen und vom Erdöl in Afrika und im Nahen Osten nie genug bekommen können, kollaborie­ren offenbar sehr gern mit korrupten und diktatoris­chen Regimen, vor allem, um deren Länder desto besser ausbeuten zu können. Daher hört man ja auch immer wieder das scheinheil­ige Argument, unsere demokratis­chen Staaten sollten sich möglichst zurückhalt­en, um nicht womöglich unter einem stärkeren Druck (seitens einer Allianz demokratis­cher Staaten oder seitens der UNO) den afrikanisc­hen Diktaturen demokratis­chere und sozialere Zustände „aufzudräng­en“. Anderersei­ts unterstütz­t man aber mit Waffenlief­erungen die verschiede­nen Parteien in diesen Ländern, um sie noch weiter zu destabilis­ieren und um auch noch von diesem Waffengesc­häft zu profitiere­n. Es ist problemati­sch, den Flüchtling­en Egoismus vorzuwerfe­n, weil sich diese durch ihre Flucht nicht genügend engagierte­n, den sozialen Standard ihrer Heimatländ­er zu verbessern, solange der Egoismus der Neokolonia­listen und Wohlstands­gesellscha­ften dieses Elend entscheide­nd mitverursa­cht. Dr. Rupert Biedrawa

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