Instabilität in der Heimat
Prof. Dr. Jordan (SN, 6. 7., S. 22) meint, die Migranten sollten besser zu Hause bleiben, um durch ihr soziales und politisches Engagement die Instabilität in ihrer Heimat zu verbessern. Diese Argumentation, auch wenn sie gut gemeint und zum Teil sogar richtig ist, ist aber höchst problematisch, unter anderem weil so ein Argument den Rechtspopulisten eine scheinmoralische Rechtfertigung dafür liefern kann, viele Flüchtlinge hätten eigentlich gar kein moralisches Recht, hier zu sein. Wenn daher diese Argumentation nicht in die falsche Richtung führen soll, dann muss man diese durch eine ganzheitliche Sicht ergänzen, unter anderem durch eine gründlichere Analyse der wichtigsten Ursachen, die für das gegenwärtige Flüchtlingselend mitverantwortlich sind. In keinem Fall darf der ungerechtfertigte Eindruck entstehen, dass bloß die Flüchtlinge für ihr Elend verantwortlich seien. In den meisten Fällen, und da wird mir Prof. Jordan vermutlich zustimmen, liegen die Ursachen dieses Elends zunächst in den undemokratischen, asozialen, dikta- torischen und korrupten Zuständen der Regierungen der Herkunftsländer. Unsere Wohlstandsgesellschaft ist für die diktatorischen und korrupten Zustände vieler Regierungen in Afrika und im Nahen Osten mitverantwortlich. Denn die Neokolonialisten, die von den Bodenschätzen und vom Erdöl in Afrika und im Nahen Osten nie genug bekommen können, kollaborieren offenbar sehr gern mit korrupten und diktatorischen Regimen, vor allem, um deren Länder desto besser ausbeuten zu können. Daher hört man ja auch immer wieder das scheinheilige Argument, unsere demokratischen Staaten sollten sich möglichst zurückhalten, um nicht womöglich unter einem stärkeren Druck (seitens einer Allianz demokratischer Staaten oder seitens der UNO) den afrikanischen Diktaturen demokratischere und sozialere Zustände „aufzudrängen“. Andererseits unterstützt man aber mit Waffenlieferungen die verschiedenen Parteien in diesen Ländern, um sie noch weiter zu destabilisieren und um auch noch von diesem Waffengeschäft zu profitieren. Es ist problematisch, den Flüchtlingen Egoismus vorzuwerfen, weil sich diese durch ihre Flucht nicht genügend engagierten, den sozialen Standard ihrer Heimatländer zu verbessern, solange der Egoismus der Neokolonialisten und Wohlstandsgesellschaften dieses Elend entscheidend mitverursacht. Dr. Rupert Biedrawa