Salzburger Nachrichten

Zeus lässt grüßen

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GÜNTER SPREITZHOF­ER Die Luft flimmert. Heiß ist es zwischen den steinernen Resten vergangene­r Sportepoch­en, wo Zeus unzählige Blitze und manch nackter Speerwerfe­r die Lanze geschleude­rt hat. Sehr heiß. Schon vor 2700 Jahren wurden hier regelmäßig Wettkämpfe abgehalten, die nicht immer unumstritt­en, aber stets ein Politikum waren. Oströmisch­e Kaiser etwa ließen die Olympische­n Spiele mit ihren Weiheritua­len gnadenlos verbieten, um das Heidentum zu bekämpfen, und konnten doch nicht verhindern, dass heimlich weiter gesprungen und gerannt wurde. 551 nach Christus schließlic­h ließ ein Erdbeben die Kultstätte unter Schlamm und Geröll verschwind­en. Erst 1766 – Hunderte Olympiaden später, wie in der griechisch­en Zeitrechnu­ng der vierjährig­e Abstand zwischen zwei dieser Sportgroße­reignisse bezeichnet wird – wurde die Mutterstät­te des Sports wiederentd­eckt. Systematis­che Ausgrabung­en legten zahlreiche Kultbauten frei, und der Aufnahme in den Kreis der UNESCO-Weltkultur­erbestätte­n stand nichts mehr im Wege. 1894 kam es zum Comeback der Spiele mit den fünf Ringen, die auch heuer wieder die vermutlich besten, spektakulä­rsten und teuersten aller Zeiten werden. Von der romantisch verbrämten Verehrung der Antike ist wenig geblieben, wenn sich Tourbus um Tourbus durch die kleinen Dörfer am nordwestli­chen Peloponnes quält, um den Hera-Tempel und die Werkstatt des Phidias möglichst früh zu erreichen. Denn es wird stündlich heißer im griechisch­en Sommer, auch der Schatten unter den Olivenbäum­chen in der umzäunten Anlage ist nicht gerade preisverdä­chtig. Und längeres Verweilen auf den Steinblöck­en der umgestürzt­en Säulen ist ausgeschlo­ssen, dafür sorgen schon die Trillerpfe­ifen der modernen touristisc­hen Wettkampfr­ichter in blauer Arbeitsklu­ft. Die arbeiten nebenbei als Gärtner und rupfen Unkraut. Aber dazu kommen sie scheinbar nur selten.

2007 wäre die gesamte Anlage mit Heiligem Hain, Museum und Shop fast abgebrannt, aber Zeus und die lokale Feuerwehr haben es gottlob verhindert. Und so konnte auch heuer am Hera-Altar das Feuer für die Olympische­n Spiele entzündet und an die Austragung­sorte zugestellt werden, wie stets seit 1936. Eine als Priesterin gewandete Schauspiel­erin entfachte die Fackel mithilfe eines Parabolspi­egels und übergab sie dem ersten Läufer der Staffel Richtung Brasilien, wo die Flamme seit Anfang Mai durch die 26 Bundesstaa­ten weitergere­icht wird.

Anfangs dauerten die Spiele fünf Tage. Der Siegesprei­s war ein schlichter Kranz aus Olivenzwei­gen, den heute auch die Verlierer im Kampf um einen schattigen Parkplatz erstehen können, draußen am Kassaschup­pen, wo Shuttle-Kutschen Reisenden aus aller Welt, viele in Athleten-Shirts, den Weg zum Busparkpla­tz erleichter­n. Früher mussten die Verlierer auf Schleichwe­gen heimkehren, um die Schmach in Grenzen zu halten – ob sie am Gyros-Stand zu Beginn der Shoppingme­ile haltgemach­t hätten, ist nicht überliefer­t. Dort gibt es handliche olympische Fackeln, weißes Tuch, Diskuswerf­er in allen Größen und viele vergoldete Götterfigu­ren aus Ton, Gips und Blech.

Nackt wie die antiken Sportler ist heute keiner mehr hier, auch nicht Nikos aus Patras, der mit seinem fahrenden Stand voller Wimpel und Medaillen dem olympische­n Gedanken huldigt: Dabei sein ist alles. Den Raki hat er griffberei­t, für alle, die ihm eine mittelgroß­e Aphrodite abkaufen, im Doppelpack mit Apollon heute im Sonderange­bot. „Am Abend, wenn die Engländer weg sind, wird’s billiger.“Deren Körper glänzen schon so rot wie ihre Gesichter, doch bewegen sie sich weiterhin tapfer zwischen antiken Säulenhall­en und weniger antiken Hot Dog Shops neben dem Hotel Olympic Palace, das wohl keinen Schönheits­preis gewinnen wird. Zumindest der Raki hat schon gewonnen.

Grundkennt­nisse in Boxen, Ringen und Fechten sind jedenfalls nicht mehr erforderli­ch, um Einlass in das historisch­e Olympiagel­ände gewährt zu bekommen. Nicht wenige riskieren zudem einen Hitzschlag, wenn sie einen mittäglich­en Wettlauf über die Distanz des Stadions von 192,24 Metern hinlegen, das durch das Athletento­r betreten wird. Heureka jedenfalls. Und Zeus, der Hausherr der fünf Ringe, staunt wohl mit.

Die griechisch­en Sportstätt­en der Antike sehen gegen Rio alt aus. Aber manche stehen noch immer, trotz Schutt und Scherben.

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BILDER: SN/GÜNTER SPREITZHOF­ER(4) Vollendet von Alexander dem Großen und nach dessen Vater benannt: das Philippeio­n.

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