Junge Juristin am Gerichtshof in Straßburg
Mutter sein und beruflicher Erfolg sind vereinbar: Karoline Edtstadler wechselte von Salzburg über das Ministerium zum Menschenrechtsgerichtshof. Von Elixhausen nach Straßburg
35 oder 40 Jahre Strafrichterin sein an ein und demselben Gericht? – „Ich gehe da einen anderen Weg“, sagt Juristin Karoline Edtstadler.
Dass die Mittdreißigerin, aufgewachsen in Elixhausen, „stattdessen juristisch wie persönlich Herausforderungen sucht“, stellt sie eindrucksvoll unter Beweis: Nach dreijähriger Tätigkeit als Strafrichterin am Landesgericht Salzburg wechselte die Mutter eines inzwischen 15-jährigen Sohnes im Oktober 2011 erst in die Sektion Straflegistik ins Justizministerium: „Ich war unter anderem mit der Erstellung von Gesetzesnovellen aus dem Bereich des Strafprozessrechts befasst“, erzählt sie. Ab Jänner 2014 fungierte die selbstbewusste, kommunikative Salzburgerin als persönliche Referentin im Kabinett von Justizminister Wolfgang Brandstetter. So war sie etwa in die umfassende Reform des Strafgesetzbuches („StGB neu“) und des Jugendstrafrechts involviert.
Inzwischen zur Oberstaatsanwältin avanciert, wechselte die Juristin kürzlich aber erneut den Dienstort: Seit Mai 2016 ist sie juristische Mitarbeiterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg. „Ich bin jetzt eine Zwei-Wochen-Pendlerin zwischen Frankreich und Salzburg. Mein Sohn Leonhard besucht das Gymnasium der Herz-Jesu-Missionare in Liefering, ist dort im Internat und fühlt sich sehr wohl. Immer wenn ich in Salzburg bin, verbringe ich möglichst viel Zeit mit ihm.“Manchmal komme sie der Sohn auch in Straßburg besuchen.
Schon in ihrer Gymnasialzeit in Salzburg habe Edtstadler „immer Juristin werden wollen. Eigentlich aber Rechtsanwältin“. Auch ihr Vater, Ex-Landtagsdirektor Karl Edtstadler, ist Jurist. Und Sohn Leonhard sei auch schon „an rechtlichen Dingen sehr interessiert“.
Was macht die gelernte Richterin konkret am EGMR? Dessen Aufgabe ist es, die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention zu überprüfen – und das in allen 47 Mitgliedsstaaten des Europarats, die die Konvention ratifiziert haben. Edtstadler: „Grundsätzlich kann sich jeder Bürger eines Mitgliedsstaats, der sich in seinen Grundrechten durch staatliche Organe, also durch Polizei, Gerichte oder Verwaltungsbehörden, beeinträchtigt fühlt, an den EGMR wenden. Gemeinsam mit zwei anderen Landsleuten bearbeite ich Beschwerden gegen Österreich. Das sind zum größten Teil sogenannte Individualbeschwerden. Etwa wenn jemand glaubt, dass er kein faires Verfahren in seinem Heimatstaat bekommen hat.“Wird eine Beschwerde für zulässig befunden, fällen dann die jeweils zuständigen EGMR-Richter – ins- gesamt sind es 47 – eine Entscheidung in der Sache. Für Österreich sitzt die Universitätsprofessorin Gabriele Kucsko-Stadlmayer auf einem der Richterstühle.
Die Arbeit, erzählt Edtstadler, sei spannend und fordernd: „Derzeit bin ich noch in der Einarbeitungsphase. Amtssprachen sind Englisch und Französisch.“Dass der EGMR mehr als ausgelastet sei, sei leider Tatsache: „Allein aus Österreich kommen jährlich mehrere Hundert Beschwerden nach Straßburg“, so Edtstadler. In Straßburg wird die Juristin voraussichtlich bis 2018 bleiben: „Was dann kommt, weiß ich noch nicht“, sagt sie und richtet einen Appell an die Frauen: „Natürlich geht so etwas als Mutter nur mit Unterstützung durch die gesamte Familie. Aber ich möchte mit meinem Weg anderen Frauen Mut machen. Wenn man sich etwas zutraut, kann man auch etwas verwirklichen. Mutter sein und beruflicher Erfolg sind vereinbar.“Lob streut sie auch ihrem Arbeitgeber: Die Justiz bietet enorm viele Möglichkeiten an Aus- und Weiterbildung.“ Karoline Edtstadler ihre Juristenkollegen, die wie sie seit Mai in Straßburg beim EGMR arbeiten: „Wir sind die sogenannten May-Beginners. Wir kommen aus Portugal, der Türkei, Ungarn, Mazedonien oder eben Österreich. Man erhält hier beim EGMR einen Blick über den Tellerrand hinaus. Ich profitiere sowohl juristisch, sprachlich als auch kulturell“, betont die 35-jährige Akademikerin, die in Elixhausen aufwuchs.
„Die Justiz bietet enorm viele Möglichkeiten der Aus- und Weiterbildung.“
Edtstadler ihr Gerichtspraktikum am Bezirksgericht Mondsee und am Landesgericht Salzburg, 2006 wurde sie als Richteramtsanwärterin übernommen. 2008 wurde die Salzburgerin, die einst bei der Musikkapelle Elixhausen Oboe spielte und früher auch in Henndorf als Gemeindepolitikerin fungierte, zur Richterin ernannt.