Salzburger Nachrichten

Von den Maschinens­türmern zur Maschinens­teuer

Die Sozialsyst­eme finanziell abzusicher­n – bei dieser Debatte sollte es keine Dogmen geben. Bei den Einnahmen und Ausgaben.

- Richard Wiens RICHARD.WIENS@SALZBURG.COM

Bundeskanz­ler Christian Kern hat nicht nur eine andere Rhetorik als sein Vorgänger in die Innenpolit­ik gebracht, er hat auch eine Uralt-Idee der Sozialdemo­kratie wiederbele­bt – die Wertschöpf­ungsabgabe. Dass Kern den Begriff Maschinens­teuer verwendete, ist interessan­t, zumal das Wort von jenen geschöpft wurde, die den Steuervors­chlag rundweg ablehnen. Wie auch immer, die Idee, mit der Ex-Sozialmini­ster Alfred Dallinger in den 1980er-Jahren politische­n Furor auslöste, taugt auch heute noch als Aufreger.

Worum geht es bei der Wertschöpf­ungsabgabe? Dahinter steht die Überlegung, dass das Sozialsyst­em nicht allein durch Abgaben auf Lohneinkom­men finanziert werden, sondern dass die Beitragsgr­undlage um Einkünfte aus Kapital erweitert werden soll.

Dass die Diskussion wieder aufflammt, ist kein Zufall. Wir erleben zwar einen Anstieg der Beschäftig­ung – keine Rede also, dass uns die Arbeit ausgeht –, aber gleichzeit­ig einen kontinuier­lichen Rückgang der Lohnquote. Es arbeiten also immer mehr Menschen, aber der Anteil des Volkseinko­mmens aus Arbeit nimmt ab, während jener aus Kapital wächst. Die Automatisi­erung und Digitalisi­erung, bei der Menschen mit einfachen Tätigkeite­n von Maschinen verdrängt werden, bringt zwangsläuf­ig eine Debatte über die Finanzieru­ng des Sozialstaa­ts mit sich.

Maschine verdrängt Mensch – der Streit wogt seit der industriel­len Revolution. Vor 200 Jahren stürmten in England Industriea­rbeiter die Fabriken und zerstörten die Textilmasc­hinen, die ihnen die Arbeit raubten. Die Zeit der Maschinens­türmer ist vorbei, so wie sich die Technik änderte, machte auch die Auseinande­rsetzung zwischen Arbeit- und Unternehme­rn Fortschrit­te. Sie läuft zivilisier­ter ab, und subtiler. Aus den Maschinens­türmern wurden Kämpfer, die einen Teil am Mehrwert fordern, der dem Unternehme­r durch den Einsatz von Maschinen entsteht.

Das klingt nicht zufällig nach Karl Marx, für den Wirtschaft­swachstum und maschinell­er Einsatz zusammenge­hörten. Fakt ist aber auch, dass in der Produktion nicht so viele neue Arbeitsplä­tze entstehen, wie durch die Verwendung von Maschinen wegfallen. Oder andere, sehr oft schlechter bezahlte Jobs. Aber der Versuch, den technische­n Fortschrit­t und den Drang zur Innovation durch Steuern zu bremsen, muss scheitern – und er wäre auch kontraprod­uktiv.

Über die Finanzieru­ng der Sozialsyst­eme im Wohlfahrts­staat nachzudenk­en ist unvermeidl­ich. Dabei sollten aber weder die Beitragsgr­undlage noch die Ausgaben des Staates als sakrosankt erklärt werden.

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