Salzburger Nachrichten

Gewalt beherrscht auch weiterhin den Geist unserer Zeit

Die Brutalität von Terroriste­n und Amokläufer­n wurzelt tief in den Kulturen von Orient und Okzident.

- VIKTOR.HERMANN@SALZBURG.COM

Das Psychogram­m so manchen Täters legt offen, wie fest sowohl islamistis­che Selbstmord­attentäter, rassistisc­he Massenmörd­er und verwirrte Amokläufer in einer Kultur der Gewalt verankert sind, die sich nicht auf eine Ideologie allein beschränkt. Ausgerechn­et inmitten einer Serie von durch religiösen Wahn angefachte­n Mordtaten an mehreren Orten Europas, ausgerechn­et zum fünften Jahrestag des nazistisch­en Rassisten Breivik beendet ein junger Münchner seinen psychische­n Irrweg durch einen Amoklauf, der im Selbstmord endete. Und kurz danach massakrier­t ein Japaner in einem Behinderte­nheim 19 Menschen.

Die Frage, woher diese furchtbare, furchterre­gende Neigung rührt, tödliche Gewalt als Lösung von Konflikten und Problemen zu betrachten, stellt unsere Kultur ebenso wie jene im Nahen, im Mittleren und im Fernen Osten – ganz zu schweigen vom amerikanis­chen Doppelkont­inent – vor tiefgehend­e Fragen.

Man muss gar nicht auf den Todestrieb jener Verführten blicken, die tatsächlic­h glauben, sie verbessert­en das Schicksal ihrer Religionsg­emeinschaf­t oder sozialen Gruppe, indem sie sich und andere in die Luft sprengen. Es reicht schon ein Blick in die Geschichte und darauf, was man in dieser Geschichte besonders verehrt, um einem fürchterli­chen Grundkonse­ns auf die Spur zu kommen. Man schaue sich nur die Denkmäler an, auf die man in den großen Hauptstädt­en der Welt stößt. Da stehen in Bronze gegossen oder in Stein gehauen die Figuren von Leuten, die sich durch Gewalt, Krieg und Massenmord einen Namen gemacht haben. Und dort, wo die Religion die figürliche Darstellun­g verbietet, sind es halt riesige Schwerter.

Was haben wir nicht in der Schule über die „großen Männer“vom Altertum übers Mittelalte­r bis in die Neuzeit gelernt, über Cäsar, Hannibal, die Kreuzfahre­r, Napoleon und an- dere! Großartig seien sie gewesen und herrlich. Niemand weist darauf hin, mit welcher Brutalität sie und viele andere tausendfac­h gemordet haben. Ja ihre Massaker werden uns mit dem Unterton vermittelt, dass das halt der Preis sei für ein großes, stabiles Reich, für die „Größe“einer Nation, ja sogar einer Kultur.

Mittlerwei­le kann jeder Verirrte am Computer üben, wie sich das anfühlt, wenn man bei diversen Spielen möglichst viele Menschen umbringt. Es ist kein Wunder, dass viel Amokläufer sich mit immer denselben Ego-ShooterSpi­elen an Gewalt aufgeilen, ehe sie im realen Leben zur Waffe greifen. In Büchern, Filmen und Computersp­ielen wird der gewaltsame Tod in Konfliktsi­tuationen viel zu oft nicht als tragischer Verlust dargestell­t, sondern als probates Mittel der Problemlös­ung. Keine Frage also, woher diese Gewaltbere­itschaft kommt.

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Viktor Hermann

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