Gewalt beherrscht auch weiterhin den Geist unserer Zeit
Die Brutalität von Terroristen und Amokläufern wurzelt tief in den Kulturen von Orient und Okzident.
Das Psychogramm so manchen Täters legt offen, wie fest sowohl islamistische Selbstmordattentäter, rassistische Massenmörder und verwirrte Amokläufer in einer Kultur der Gewalt verankert sind, die sich nicht auf eine Ideologie allein beschränkt. Ausgerechnet inmitten einer Serie von durch religiösen Wahn angefachten Mordtaten an mehreren Orten Europas, ausgerechnet zum fünften Jahrestag des nazistischen Rassisten Breivik beendet ein junger Münchner seinen psychischen Irrweg durch einen Amoklauf, der im Selbstmord endete. Und kurz danach massakriert ein Japaner in einem Behindertenheim 19 Menschen.
Die Frage, woher diese furchtbare, furchterregende Neigung rührt, tödliche Gewalt als Lösung von Konflikten und Problemen zu betrachten, stellt unsere Kultur ebenso wie jene im Nahen, im Mittleren und im Fernen Osten – ganz zu schweigen vom amerikanischen Doppelkontinent – vor tiefgehende Fragen.
Man muss gar nicht auf den Todestrieb jener Verführten blicken, die tatsächlich glauben, sie verbesserten das Schicksal ihrer Religionsgemeinschaft oder sozialen Gruppe, indem sie sich und andere in die Luft sprengen. Es reicht schon ein Blick in die Geschichte und darauf, was man in dieser Geschichte besonders verehrt, um einem fürchterlichen Grundkonsens auf die Spur zu kommen. Man schaue sich nur die Denkmäler an, auf die man in den großen Hauptstädten der Welt stößt. Da stehen in Bronze gegossen oder in Stein gehauen die Figuren von Leuten, die sich durch Gewalt, Krieg und Massenmord einen Namen gemacht haben. Und dort, wo die Religion die figürliche Darstellung verbietet, sind es halt riesige Schwerter.
Was haben wir nicht in der Schule über die „großen Männer“vom Altertum übers Mittelalter bis in die Neuzeit gelernt, über Cäsar, Hannibal, die Kreuzfahrer, Napoleon und an- dere! Großartig seien sie gewesen und herrlich. Niemand weist darauf hin, mit welcher Brutalität sie und viele andere tausendfach gemordet haben. Ja ihre Massaker werden uns mit dem Unterton vermittelt, dass das halt der Preis sei für ein großes, stabiles Reich, für die „Größe“einer Nation, ja sogar einer Kultur.
Mittlerweile kann jeder Verirrte am Computer üben, wie sich das anfühlt, wenn man bei diversen Spielen möglichst viele Menschen umbringt. Es ist kein Wunder, dass viel Amokläufer sich mit immer denselben Ego-ShooterSpielen an Gewalt aufgeilen, ehe sie im realen Leben zur Waffe greifen. In Büchern, Filmen und Computerspielen wird der gewaltsame Tod in Konfliktsituationen viel zu oft nicht als tragischer Verlust dargestellt, sondern als probates Mittel der Problemlösung. Keine Frage also, woher diese Gewaltbereitschaft kommt.