Sie dürften nicht hier sein, sind es aber – und dann?
Warum es (nicht nur) für Österreich so schwierig ist, abgewiesene Asylbewerber außer Landes zu bringen.
Am Salzburger Hauptbahnhof ist das Problem offensichtlich. Dutzende Nordafrikaner sitzen auf den Gehsteigen. Vor ihnen stehen Flaschen, auch mit Hochprozentigem. Die Polizei ist ständig unterwegs, damit es zu keinen gröberen Problemen kommt, wie dies früher der Fall war. Viel mehr können die Gesetzeshüter nicht tun. Marokkaner, Algerier, Tunesier festnehmen bringt nichts, auch wenn sie illegal hier sind.
Wer in Erfahrung bringen möchte, wie viele Menschen in Österreich sein dürften, die hier nicht sein dürfen, kommt nicht weiter. „Wir geben keine Schätzungen ab“, heißt es im Innenministerium knapp. Und: „Wenn Rückführungen möglich sind, machen wir sie.“Gar nicht so selten kommt es aber eben nicht dazu. Rückführungen nach Griechenland sind aufgrund eines EuGH-Spruchs nicht möglich. Rückführungen nach Ungarn sind nicht möglich, weil das Nachbarland auf dem Standpunkt steht, selbst nur Transitland zu sein. In eine ganze Reihe von Ländern sind Rückführungen abgewiesener Asylbewerber kaum oder gar nicht möglich, weil sie ihre Leute nicht zurückhaben wollen und die notwendigen Heimreisezertifikate nicht ausstellen. Schwierigkeiten gibt es insbesondere mit Marokko, Algerien und Tunesien (die alle als sichere Länder gelten). Die Zahl der illegal in Österreich aufhältigen Nordafrikaner bewege sich im dreistelligen Bereich, heißt es im Innenressort. Heuer stellten trotz Aussichtslosigkeit bereits rund 1400 Marokkaner und Algerier Asylanträge.
Die Deutschen versuchten auf bilateralem Weg, die Rückführungen zu beschleunigen. Allen erst vor wenigen Monaten gegebenen Zusagen zum Trotz sollen sich die MaghrebStaaten aber nach wie vor unkooperativ zeigen. Der nordrhein-westfälische Innenminister beklagte erst am Dienstag, dass Marokko Landsleute nur zurücknehme, wenn sie mit der staatlichen Fluglinie heimgeschickt würden, und dann höchstens vier Personen pro Flug. Österreich hofft nach wie vor, dass ein EU-Rücknahmeabkommen mit den Maghreb-Ländern zustande kommt. Die Verhandlungen ziehen sich seit Jahren.
Österreich will – wie Schweden und Deutschland – Menschen ohne Asylanspruch konsequenter abschieben. Bis 2019 sollen 50.000 abgelehnte Asylbewerber das Land verlassen. Heuer wurden im ersten Halbjahr 5163 Menschen außer Landes gebracht. Fast zwei Drittel reisten freiwillig aus (+24% gegenüber dem ersten Halbjahr 2015), die anderen wurden zwangsweise abgeschoben bzw. in jene EU-Länder verfrachtet, die für ihre Asylverfahren zuständig sind (+23%). 28 der „Außerlandesbringungen“erfolgten per Charterflug, vier per Bus. Ziel war am öftesten der Kosovo. Andere Destinationen: Bulgarien, Polen, Nigeria, Pakistan, Georgien, Armenien, Russland, Albanien.
Unklar ist offenbar, wie viele abgewiesene Asylbewerber untertauchen oder weiterwandern. Liegen weder Asyl- noch Schutzgründe vor, gibt es noch zwei legale Möglichkeiten zu bleiben: die Duldung und das humanitäre Bleiberecht. Laut Innenministerium gibt es derzeit 250 Geduldete, also Menschen, die zur Heimkehr bereit wären, von ihren Heimatländern aber nicht zurückgenommen werden. Humanitäres Bleiberecht wurde 2015 rund 2000 Mal erteilt.
In Schubhaft warten im Tagesschnitt rund 150 Personen auf ihre zwangsweise Rückführung.