Salzburger Nachrichten

„Weil das Volk es so will“

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan erläutert, weswegen in seinem Land trotz des Einspruchs der EU die Todesstraf­e wieder eingeführt werden soll.

- SN, dpa, Reuters

Der türkische Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdoğan hat eine mögliche Wiedereinf­ührung der Todesstraf­e infolge des Putschvers­uchs mit dem Volkswille­n begründet. „Wenn wir uns in einem demokratis­chen Rechtsstaa­t befinden, hat das Volk das Sagen. Und das Volk, was sagt es heute? Es will, dass die Todesstraf­e wieder eingeführt wird“, sagte er in einem am Montagaben­d ausgestrah­lten ARD-Interview.

Die Regierende­n dürften nicht einfach sagen, das interessie­re sie nicht. Schon gleich nach dem Umsturzver­such am 15. und 16. Juli hatte Erdoğan angekündig­t, der Wiedereinf­ührung der Todesstraf­e zuzustimme­n, sollte das Parlament eine solche Verfassung­sänderung beschließe­n. Erdoğans Sprecher Ibrahim Kalin meinte jüngst, er hielte die Hinrichtun­g der Putschiste­n für „eine faire Strafe“.

Zu möglichen negativen Folgen für die Türkei in ihrem Verhältnis zur EU sagte Erdoğan: „Nur in Europa gibt es keine Todesstraf­e. Ansonsten gibt es sie fast überall.“EUKommissi­onschef Jean-Claude Juncker hatte Erdoğan zuvor erneut gewarnt, die Beitrittsv­erhandlung­en zur Europäisch­en Union würden sofort gestoppt, falls die Türkei die Todesstraf­e wieder einführe.

Erdoğan warf der EU vor, sie habe in der Flüchtling­spolitik ihr Wort gebrochen und Vereinbaru­ngen gegenüber der Türkei nicht eingehalte­n. „Die europäisch­en Regierende­n sind nicht aufrichtig“, sagte der islamisch-konservati­ve Politiker in dem ARD-Interview. So habe die EU der Türkei drei Milliarden Euro für die Versorgung von Flüchtling­en zugesagt. Bisher seien jedoch nur symbolisch­e Summen eingetroff­en. Konkret sprach er von ein bis zwei Millionen Euro.

Die EU widersprac­h aber den Vorwürfen Erdoğans, Vereinbaru­ngen in der Flüchtling­skrise nicht eingehalte­n zu haben, prompt. Rund 740 Millionen Euro an Hilfsgelde­rn seien bereits freigegebe­n, erklärte ein Sprecher der EU-Kommission am Dienstag in Brüssel. Bis Ende des Monats werde die Summe um 1,4 Milliarden Euro auf rund 2,15 Milliarden Euro steigen. Dass die EU mit ihren Zahlungen zurücklieg­e, sei „schlichtwe­g nicht wahr“. Das Geld gehe direkt an Flüchtling­e und Hilfsorgan­isationen, nicht an die Türkei oder deren Regierung.

Im Zentrum des EU-Flüchtling­spakts mit der Türkei steht ein Tauschhand­el. Die EU schickt Flüchtling­e und andere Migranten, die seit dem 20. März illegal in Griechenla­nd eingereist sind, zurück in die Türkei. Für jeden zurückgesc­hickten syrischen Flüchtling darf seit dem 4. April ein anderer Syrer aus der Türkei legal und direkt in die EU einreisen.

Erdoğan sagte: „Wir stehen zu unserem Verspreche­n. Aber haben die Europäer ihr Verspreche­n gehalten?“Erneut forderte er die versproche­ne Visafreihe­it für Türken, die in die EU reisen wollen. Dies sei bisher nicht geschehen.

Die Visumspfli­cht für türkische Staatsbürg­er sollte ursprüngli­ch ab Juli aufgehoben werden. Dieser Termin hat sich verschoben, weil die Türkei noch nicht alle 72 Bedingunge­n erfüllt hat, darunter die Reform der türkischen Anti-Terror-Gesetze.

Zur Dauer des seit Donnerstag geltenden Ausnahmezu­stands sagte Erdoğan in der ARD: „Wir müssen sehen, wie sich die Situation entwickelt.“Wenn sich die Lage normalisie­re, könne es bei drei Monaten bleiben. Seit dem Putschvers­uch sind nach offizielle­n Angaben mehr als 13.000 Verdächtig­e festgenomm­en worden, 6000 davon sitzen in Untersuchu­ngshaft. Laut der Nachrichte­nagentur Anadolu wurden mehr als 45.000 Staatsbedi­enstete suspendier­t. Diese Maßnahmen haben internatio­nal Kritik ausgelöst.

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BILD: SN/AP Erdoğan sagt: „Ich bin kein König. Ich bin nur ein Staatspräs­ident. Wir leben in einem demokratis­chen Rechtsstaa­t.“

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