Zum Gedenken an Nikolaus Harnoncourt
Am Pult des Concentus Musicus stehen nun die jungen Feuergeister wie Andrés Orozco-Estrada.
Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler trat vor Konzertbeginn im Großen Festspielhaus an die Rampe und erinnerte daran, dass dieses BeethovenKonzert des Concentus Musicus Nikolaus Harnoncourt hätte dirigieren sollen. Schon bei der Nennung des Namens brandete Applaus auf, viele Leute hatten wohl die Karte bereits gekauft, als der Dirigent im März dieses Jahres verstarb. Es ist gut, dass sich „sein“Orchester entschloss weiterzumachen. Das Konzert wurde dem großen Pionier und Feuergeist gewidmet. Harnoncourt selbst hatte noch seinen Segen gegeben zu einer Liste von Dirigenten seines Vertrauens, das Lebenswerk blüht weiter. Auf den ersten Blick hat der junge Kolumbianer Andrés Orozco-Estrada wenig gemeinsam mit Harnoncourt, außer, dass er auch kein Staberl verwendet, um seinen Willen durchzusetzen.
Beethovens Neunte stand auf dem Programm, „Königsklasse“sozusagen. Über fünf Jahrzehnte hat Harnoncourt den Concentus bis in die kleinste Faser geprägt, jeder Debütant am Pult kann sich darauf verlassen. Und dennoch hat jeder auch seinen eigenen Stil. Schon bei der Styriarte hat Andrés OrozcoEstrada vor kurzer Zeit seine Nahebeziehung zum Werk und zum Orchester gezeigt, auch bei den Salzburger Festspielen war die Besetzung gleich. Wie schon in Graz war Regula Mühlemann, die junge Schweizer Sopranistin, für die erkrankte Genia Kühmeier eingesprungen. Sie hat das Potenzial für eine schöne Karriere. Elisabeth Kulman, langjährige Wegbegleiterin von Nikolaus Harnoncourt, der ihren markanten Mezzosopran schätzte, Steve Davislim als enthusiastisch klingender Tenor und Bariton Florian Boesch, ein vielfach eingesetzter Lieblings-Kraftlackl Harnoncourts, bildeten die Solistenriege. Dass der Arnold Schoenberg Chor ein Spitzenensemble ist und auch ohne Noten „Götterfunken“versprühen kann, ist keine leere Behauptung.
Andrés Orozco-Estrada pflegt die Ganzkörperchoreografie mit enormem Einsatz und die sportive Geste bis in die kleinsten Übergänge, beim Zuschauen gerät man mit ihm in Schweiß. Der Concentus entfaltete ebenfalls immense Dynamik, konnte aber im kollektiven Vorwärtsstürmen auch in ruhevollen Phasen überzeugen. Der Jubel für Beethovens mitreißende Bekenntnismusik war durchaus verdient.