EU-Trio beschwor gemeinsame Zukunft
Mit Hacken und Äxten zerschlugen Dschihadisten jahrhundertealte religiöse Bauwerke. Gut vier Jahre später steht der verantwortliche Täter vor dem Weltstrafgericht in Den Haag.
Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel kam am Montag zum Dreiergipfel mit dem italienischen Regierungschef Matteo Renzi (r.) und dem französischen Präsidenten François Hollande in Italien. Die drei Staats- und Regierungschefs haben auf der Vulkaninsel Ventotene bei Neapel und einem davor positionierten Flugzeugträger den Zusammenhalt der Europäischen Union nach dem Brexit-Votum beschworen. Die deutsche Kanzlerin trifft diese Woche noch 15 weitere EU-Chefs zur Abstimmung einer gemeinsamen Linie.
Das Warten hat ein Ende. Am Montag hat der lang erwartete historische Prozesse in Den Haag um die Zerstörung des UNESCO-Weltkulturerbes in Mali begonnen. Gleich zu Beginn des Prozesses legte der Angeklagte ein umfassendes Schuldbekenntnis ab. Er sei für die Vernichtung von jahrhundertealten religiösen Bauwerken in Timbuktu verantwortlich, sagte der damalige Dschihadist Ahmad al-Faqi al-Mahdi vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. „Ich bereue meine Tat zutiefst und bitte um Vergebung“, sagte der etwa 40 Jahre alte Mann aus Mali, der der Volksgruppe der Tuareg angehört. Es ist das erste Mal, dass ein Angeklagter vor dem Weltstrafgericht seine Schuld zugibt. Al-Mahdi hatte bereits vor dem Prozess angekündigt, dass er sich schuldig bekennen werde.
Im Sommer 2012 hatte die Islamistenmiliz Ansar Dine, die sich mit der Al Kaida verbündet sieht, die alte Wüstenstadt Timbuktu im westafrikanischen Mali eingenommen. Der ehemalige Lehrer al-Mahdi soll als Sittenwächter die Zerstörung von neun mittelalterlichen Heiligengräbern und eines Teiles der weltberühmten Sidi-Yahia-Moschee angeordnet haben. Weltweit war das Entsetzen groß.
Der auch als Abu Turab bekannte Angeklagte war Leiter der Moralpolizei der Dschihadisten. Auf Videos zeigte die Anklage im Gerichtssaal, dass al-Mahdi selbst mit der Axt auf die alten Mauern aus Lehm und Steinen eingeschlagen hatte. Damals hatte er die Tat als „Verteidigung des wahren Islam“gegen falsche Heiligenverehrung gerechtfertigt.
Vor den internationalen Richtern sagte er nun, dass er im Gefängnis „für sein Verbrechen büßen“wolle. Der Ex-Rebellenführer rief „alle Muslime der Welt auf, sich nicht zu den gleichen Taten verleiten zu lassen“. Die Zerstörung von Kulturgütern ist nach internationalem Recht ein Kriegsverbrechen. Es gehe nicht nur um Steine, betonte die gambische Juristin und Chefanklägerin Fatou Bensouda. „Dies ist die Zerstörung der Wurzeln eines gesamten Volkes.“Solche Angriffe seien oft eine Vorstufe von „Attacken auf die Menschen“.
Für das Weltstrafgericht ist der Prozess historisch. Es ist der erste Prozess zu Kriegsverbrechen in Mali und erstmals ist auch ein Dschihadist angeklagt. Die Anklage will neun bis elf Jahre Gefängnis fordern. Wann ein Urteil erfolgt, ist nicht bekannt.
Menschenrechtsorganisationen begrüßten den Prozess, kritisierten jedoch, dass al-Mahdi nicht auch für andere Verbrechen wie Mord und Vergewaltigung angeklagt worden sei. Dazu erklärte ein Gerichtssprecher auf Anfrage, dass bei ausreichenden Beweisen eine weitere Anklage erfolgen könne.
Die in den Mausoleen begrabenen Geistlichen werden als Schutzheilige verehrt und bei Ereignissen wie Hochzeiten oder bei Problemen wie Hungersnöten um Hilfe gebeten. Wegen ihrer zahlreichen Mausoleen gilt Timbuktu als „Stadt der 333 Heiligen“. Die Handelsstadt war über Jahrhunderte ein Zentrum der islamischen Gelehrsamkeit und beherbergt auch eine
„Ich bereue meine Tat zutiefst.“Ahmad al-Faqi al-Mahdi, Angeklagter
einzigartige Sammlung islamischer Manuskripte. Ein Teil dieser alten Schriften wurde ebenfalls von den Islamisten zerstört, doch konnte der Großteil in Sicherheit gebracht werden.
Seit der Einnahme der Stadt durch französische und malische Truppen Anfang 2013 wird die Sammlung restauriert. Auch die zerstörten Denkmäler und die beschädigte Moschee, die aus Holz und Lehmziegeln gebaut waren bzw. sind, wurden mithilfe eines UNESCO-Programms und Geld der Europäischen Union wieder aufgebaut. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini ließ mitteilen, schon die Eröffnung des Prozesses stelle ein bedeutendes Ereignis dar. Er fördere die Umsetzung des Friedensabkommens und die Aussöhnung in Mali.
Timbuktu liegt am südlichen Rand der Sahara und zählt knapp 54.000 Einwohner. Wegen des Mangels an Steinen wird traditionell mit Lehm gebaut. Das Grundgerüst bildet eine Konstruktion aus Holz.
Fünf Kilometer südlich der Stadt fließt der Niger. Ein einstiger Kanal ist mittlerweile versandet. Die Bevölkerung Timbuktus setzt sich aus Angehörigen verschiedenster Volksgruppen zusammen.