Bundesheer braucht um 5000 Rekruten mehr pro Jahr
Im heurigen Jahr wird es nur noch wenig mehr Präsenz- als Zivildiener geben. Angesichts von Terrorgefahr und Migrationskrise soll das nun anders werden.
Nach der deutlichen Erhöhung des Heeresbudgets wirbt das Bundesheer nun aktiv um Nachwuchs. Derzeit gehen fast ebenso viele junge Männer zum Zivildienst wie zum Bundesheer. Das soll anders werden: „Wir brauchen um 4000 bis 5000 Grundwehrdiener pro Jahr mehr“, sagt Generalstabschef Othmar Commenda im SN-Gespräch. Dies soll gelingen, indem das Bundesheer durch Investitionen in Übungen und Schießtraining wieder attraktiver für junge Männer wird. Auch die Unterkünfte in den Kasernen und die Behandlung der Stellungspflichtigen bei der Stellung sollen verbessert werden.
Nach der heeresinternen Prognose wird es heuer etwa 47.000 Stellungspflichtige geben, davon rund 34.300 Taugliche. Von diesen werden laut Prognose 15.800 zum Zivildienst und 18.500 zum Bundesheer gehen. Diese Zahl möchte General Commenda erhöhen.
Eingesetzt werden die Rekruten unter anderem zur Überwachung der grünen Grenze, um illegale Einreisen zu verhindern. Außerdem bilden die Grundwehrdiener das Reservoir, aus dem das Bundesheer neue Berufssoldaten anwerben will. Bis 2020, so kündigt General Commenda an, soll die Zahl der „auf Knopfdruck“einsetzbaren Soldaten von derzeit 2300 auf 6000 erhöht werden. Sie sollen in einer Art Bereitschaftsdienst über das gesamte Bundesgebiet verteilt werden, um bei Terrorgefahr überall rasch im Rahmen eines Assistenzeinsatzes für das Innenministerium eingesetzt werden zu können.
Wegen Terrorgefahr und Migrationskrise wird das Heeresbudget bis 2020 in Summe um 1,5 Milliarden Euro aufgestockt. Ist das Bundesheer jetzt gerettet? Darüber sprechen die SN mit Generalstabschef Othmar Commenda. SN: Wie ist die Stimmung im Heer nach der so plötzlichen Trendwende beim Budget? Commenda: Die Soldaten sehen erstmals seit vielen Jahren, dass es wieder aufwärtsgeht. Das Budget ist jetzt so, dass wir in den nächsten Jahren gut über die Runden kommen. Meine Sorge ist nur, ob dieser Budgetkurs 2021 fortgesetzt wird oder nicht. Das entscheidet sich in der Budgetvorschau 2017. Das wird das Schlüsseljahr, davon hängt alles ab. Was wir brauchen, sind nicht nur Sonderdotierungen, sondern ein ordentliches Regelbudget ab 2021. SN: Welche Anschaffungen werden mit dem zusätzlichen Geld getätigt? Das Wichtigste ist der Schutz des Soldaten. Wir investieren in neue Helme, Schutzwesten und Uniformen, die dem Stand der Technik entsprechen. Ein zweiter Schwerpunkt der Investitionen ist die geschützte Mobilität. In Zeiten des Terrors ist es nicht zu verantworten, Soldaten – und übrigens auch Polizisten – in ungeschützten Fahrzeugen zum Einsatzort zu bringen. Weiters investieren wir in die Führungsausstattung, in die bauliche Infrastruktur und in die Modernisierung der Luftstreitkräfte. SN: Die schweren Waffen sind überhaupt kein Thema mehr? Das stimmt nicht. Unsere Artillerie ist sehr modern ausgestattet. Der Kampfpanzer Leopard wird weiter genutzt, ebenso der Schützenpanzer Ulan. Und wir beschaffen zusätzliche Radpanzer Pandur. Also es wird durchaus auch in die schweren Waffen investiert. SN: Wo sehen Sie in der Terrorabwehr die Grenzen zwischen Exekutive und Bundesheer? Für Einsätze im Ausland ist das Bundesheer zweifellos besser geeignet, etwa für Geiselbefreiungen oder die Rückholung österreichischer Staatsbürger aus Krisengebieten. Innerhalb Österreichs sind wir gemäß Verfassung in Assistenzeinsätzen für die Exekutive tätig. Wo da genau die Grenzen sind, wird derzeit in einer politischen Arbeitsgruppe geklärt. In Deutschland gibt es ja den guten Spruch: Die Polizei darf, kann aber nicht. Die Bundeswehr kann, darf aber nicht. SN: Wie bereitet sich das Heer auf ein etwaiges neuerliches Anschwellen der Migrantenströme vor? Rekruten an den „Hotspots“an den Grenzübergängen sind weiterhin unmöglich. Das ist keine Aufgabe für junge Männer im dritten oder vierten Ausbildungsmonat. Wo wir Grundwehrdiener aber jetzt einsetzen und auch speziell dafür schulen, ist die Überwachung der grünen Grenze. Außerdem werden die Kaderpräsenzeinheiten von derzeit 2300 Mann deutlich aufgestockt. Unser ehrgeiziges Ziel ist es, im Jahr 2020 bereits 6000 Soldaten auf Knopfdruck einsetzen zu können. Das ist in einer Armee mit 18.000 Uniformierten schon sehr viel. SN: Wie ist es um den Nachwuchs bestellt? Gibt es noch genügend Präsenzdiener? Ich verhehle nicht, dass uns die sinkenden Rekrutenzahlen in der Vergangenheit ganz recht waren. Denn jeder Rekrut kostet Geld und das hatten wir nicht. Jetzt schaut es anders aus. Es ist wieder ausreichend Geld für die Rekrutenausbildung da, für moderne Unterkünfte, für Übungen und fürs Schießen. Wir haben daher unsere Kommandanten aufgefordert, wieder offensiv um Rekruten zu werben. Wir brauchen um 4000 bis 5000 Grundwehrdiener pro Jahr mehr. Das wird uns auch gelingen, weil wir als Bundesheer jetzt wieder deutlich attraktiver sind. SN: Ist an eine Erhöhung der Mobilmachungsstärke gedacht? Nein. Wir müssen ja erst einmal die jetzige Zahl von 55.000 Mann ordentlich ausstatten. Da sind wir, weil die notwendige Ausrüstung fehlt, jetzt erst bei 60 bis 70 Prozent. Schon der Plan, dass jedes Bundesland über ein Jägerbataillon verfügen soll, ist eine große Herausforderung. Aber das müssen wir schaffen, allein wegen der Terrorgefahr. Es nützt nichts, dass in Wien Truppen stehen, wenn zum Beispiel in Salzburg ein Anschlag passiert. Da muss man ein Bereitschaftssystem im gesamten Bundesgebiet haben, um rasch reagieren zu können. Darauf richten wir auch gerade die Ausbildung aus. SN: Welche Rolle wird die Miliz in Zukunft spielen? Ohne Miliz könnten wir die derzeitigen Einsätze gar nicht bewältigen. Derzeit stehen ja 3000 Soldaten im Einsatz, davon ein bedeutender Anteil Miliz. Von den 3000 Mann sind 1000 im Ausland und 2000 im Inlandseinsatz – an der Grenze, bei der Bewachung von Botschaften und bei sonstigen Assistenzeinsätzen. Ohne Milizsoldaten ginge das gar nicht. Aber wir müssen die Wirtschaft noch davon überzeugen, dass die Einberufung eines Milizbataillons kein volkswirtschaftlicher Schaden ist. SN: Sie kennen alle Armeen in Europa. Wo würden Sie das Bundesheer einordnen? Von den Fähigkeiten her zählen wir sicher zur Spitzengruppe. Bei der Ausstattung haben wir in verschiedenen Bereichen Mängel. Aber der österreichische Offizier und Unteroffizier zählt zu den am besten ausgebildeten der Welt.