Strache, ganz moderat
FPÖ-Chef Strache setzte sich im ORF-Sommergespräch als wirtschafts- und europafreundlich in Szene. Und er stellte für seine Partei den Kanzleranspruch.
Die Abgabenquote müsse gesenkt werden. Eine Arbeitsmarktoffensive sei dringend erforderlich. Ebenso eine Steuerentlastung. Österreich werde nicht ohne ausländische Arbeitskräfte auskommen: So ließ sich FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache Montagabend in den „Sommergesprächen“des ORF vernehmen. Von einem EU-Austritt, mit dem seine Partei noch vor kurzem geliebäugelt hatte, wollte der FPÖChef nichts mehr wissen, er will nicht einmal mehr eine Volksabstimmung zu diesem Thema. Kein Zweifel: Strache will sich als kanzlertauglich in Szene setzen, und das machte er auch explizit deutlich: „Wir stellen den Kanzleranspruch“, teilte er der Moderatorin mit.
Welche Partei er sich als Regierungspartner vorstellen könne, ließ Strache offen. Es gebe Schnittmengen sowohl mit der SPÖ als auch mit der ÖVP. Jedenfalls werde er vor der kommenden Nationalratswahl ein blaues „Schattenkabinett“präsentieren, sagte Strache.
Ob sich Straches Lebenstraum erfüllen wird, steht in den Sternen. Fest steht, dass es für die FPÖ seit Jahren wieder ununterbrochen aufwärts geht. In sämtlichen Umfragen liegen die Blauen längst wieder voran. Und speziell das vergangene Jahr brachte Siege in Serie. Im Burgenland gibt es seither eine rotblaue Koalition, in Oberösterreich eine schwarz-blaue. In Wien gelang es nur durch eine vermeintliche Zuspitzung auf Michael Häupl (SPÖ) oder Strache, einen Durchmarsch der FPÖ zu verhindern und RotGrün in die Verlängerung zu retten. Immerhin ist mit Johann Gudenus der Vizebürgermeister Wiens seither ein Blauer – das zwar in nicht amtsführender Funktion –, für Häupl und Maria Vassilakou (Grüne) aber ein steter Quell des Ärgers.
Das Wiener Bürgermeisteramt war ohnehin nicht Straches eigentliches Ziel. Strache will, wie er immer wieder betont, ins Kanzleramt am Ballhausplatz. Und er kann darauf verweisen, dass eine Menge FPÖ-Forderungen, mögen sie im ersten Moment noch so heftig als rechtspopulistisch abgelehnt werden, mit der Zeit auf die Agenda der Regierung gelangen. Drei Beispiele aus jüngerer Vergangenheit: 2006 forderte der FPÖ-Parteichef die Abschiebung von Ausländern mit den Hercules-Maschinen des Bundesheeres. Unterdessen fand die erste derartige Abschiebung statt, weil der neue SPÖ-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil unbedingt einen symbolischen Akt setzen wollte. Im vergangenen Jahr forderte Strache ein Burka-Verbot: Jetzt überlegt Rot-Schwarz tatsächlich ein (teilweises) Verbot der Vollverschleierung. In Oberösterreich wurde auf Druck der FPÖ die Sozialhilfe für anerkannte Flüchtlinge reduziert. Jetzt wird auf Bundesebene ein ähnliches Modell diskutiert, wobei hier die ÖVP die treibende Kraft ist.
„Die Ausländer“sind überhaupt das Leibthema der Blauen. Und da es seit mehr als einem Jahr (mit Ausnahme der Bundespräsidentenwahl) so gut wie ausschließlich um den Zustrom von Asylsuchenden und Migranten geht, sitzt die FPÖ sozusagen erste Reihe fußfrei, kann sich aufs Kommentieren der nicht zu leugnenden Probleme beschränken und muss dabei nicht einmal so aggressiv wie früher sein. Abseits davon fragen sich die Beobachter allerdings: Wo ist ein schlüssiges Gesamtkonzept der Partei, die nach dem Kanzlersessel greift? Wirtschaftspolitik ist eher nicht zu erkennen, dafür klassische SPÖ-Politik, allerdings nur für Inländer. Auch ein blaues Regierungsteam ist bisher nicht wirklich auszumachen.
Vielleicht weiß Strache deshalb schon genau, wie er es im Fall des Falles anlegen würde: nicht wie Jörg Haider, der einst Susanne Riess-Passer den Vortritt ließ und sie zur Parteichefin und Vizekanzlerin machte. In diesem Frühjahr drückte es Strache bei der 60-Jahr-Feier der FPÖ so aus: „Nein, unter meiner Obmannschaft ist es nicht üblich, die Seilschaft vorzulassen. Ich gehe auf die Spitze und nehme die Mannschaft mit.“