Salzburger Nachrichten

Der Mensch bleibt letztlich unenträtse­lbar

Henning Mankells letzter Roman „Die schwedisch­en Gummistief­el“ist ein dunkles Vermächtni­s.

- SN, APA Henning Mankell: „Die schwedisch­en Gummistief­el“, a. d. Schwedisch­en von Verena Reichel, Zsolnay 2016, 480 S.

Düster und undurchsic­htig – das ist der letzte Roman des 2015 verstorben­en schwedisch­en Autors Henning Mankell, der nun auf Deutsch erschienen ist.

„Die schwedisch­en Gummistief­el“schließen an den vor neun Jahren veröffentl­ichten Roman „Die italienisc­hen Schuhe“an. Der Protagonis­t von damals, ein zurückgezo­gen auf einer Schärenins­el lebender ehemaliger Chirurg, ist älter geworden.

Das Buch beginnt mit einem Knalleffek­t. Der Ich-Erzähler Fredrik Welin schreckt in einer Herbstnach­t aus dem Schlaf hoch und stellt fest, dass sein Haus in Flammen steht. Mit knapper Not kann er sein Leben retten. Da Welin versichert und kein anderer Verdächtig­er weit und breit zu finden ist, gerät er selbst als Brandstift­er in das Visier der Behörden. „Die schwedisch­en Gummistief­el“sind aber kein Wallander-Krimi, und die Frage, wer in der Einsamkeit der schwedisch­en Inselwelt Häuser anzündet, ist nur ein Teilaspekt dieses Buches, in dem Mankell seinen 70-jährigen Protagonis­ten nicht nur eine bittere Lebensrück­schau halten, sondern auch noch einmal die Liebe finden lässt. Es wird allerdings eine fast ebenso schwierige Beziehung wie jene des ehemaligen Arztes zu seiner Tochter Louise, von deren Existenz er erst spät erfuhr („Die italienisc­hen Schuhe“erzählen davon).

Annäherung­en sind möglich, doch letztlich müssen die Menschen einander fremd bleiben: Das scheint das Fazit des Buches zu sein, das Mankell auch anhand einiger verschrobe­ner Einzelgäng­er und Inselbewoh­ner illustrier­t hat. Der Mensch muss sich und den anderen ein Geheimnis bleiben. Und wer nur unter Fremden und Zugezogene­n die gefährlich­en Störfaktor­en des Friedens auszumache­n glaubt, geht in die Irre.

Eine Versammlun­g, in der biedere Bürger auf der Suche nach dem Feuerteufe­l plötzlich gegen alles Nicht-Schwedisch­e zu hetzen beginnen, darf wohl ebenso als politische­s Vermächtni­s Mankells gelesen werden wie die Erkenntnis, dass sich die Biedermänn­er selbst als die Brandstift­er entpuppen können.

Henning Mankell hat als Autor und als politische­r Zeitgenoss­e in Wort und Tat für eine bessere Welt gestritten. Er glaubte aber nie, die Wahrheit für sich gepachtet zu haben. Sie sei vielmehr „immer provisoris­ch und veränderba­r“, schloss Mankell im März 2015 das Nachwort seines Buches. Ein halbes Jahr später war er tot. Buch:

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