Klänge wogen durch die Schatulle von Maria Plain
SALZBURG. Mit „Meine Seele erhebet“begann eine ungewöhnliche Stunde in der Basilika Maria Plain. War es eine Stunde, waren’s anderthalb? Das Gespür für Zeitmaße des Alltags war bald entrückt, aber nicht jenes für den Raum. Vor dem Hochaltar stand nicht ein Chor und davor ein Orchester, sondern Musiker und Sänger formten ein durchmischtes wie kompaktes Miteinander. Doch wogte ein Zwiegesang: Die Sänger spalteten sich in zwei kleine Chöre. Aber die eingesprenkelten Streicher und Barockposaunen fügten diese Teilung wieder zum Ganzen. Das sich so erhebende „Magnificat“des Veronesers Stefano Bernardi, den Erzbischof Paris Lodron zum Salzburger Hofkapellmeister berufen hatte, wurde elegant gefasst: im Inneren dieser wie eine Schatulle geformten Kirche.
Und noch ein anderes Wogen war zu vernehmen: Der Rhythmus für Bernardis geschmeidige Musiklinien schmiegt sich ans Ein- und Ausatmen.
Albert Hartinger leitete die Musiker in dem mit dem „Magnificat“beginnenden Konzert so behutsam und besonnen, dass dies zum Jubel gereicht hätte. Doch ein Jubiläum machte den Sonntagabend noch denkwürdiger: Zum 25. Mal fand das Konzert „Mozart in Maria Plain“statt. Dessen Initiator Albert Hartinger bewies als Dirigent ein Sensorium für eine tiefe Wahrheit dieser Musik, folglich für Tempi und Phrasierungen, für das Motivieren der Ausführenden sowie für den Ort.
Nach der frommen Ernsthaftigkeit Stefano Bernardis entführt der junge Mozart die Frauenstimmen hurtig und frisch, ja für ein Kyrie fast frech in die Höhe. Die 1771 komponierte Lauretanische Litanei KV 109 könnte, wie Albert Hartinger erläuterte, im August 1774 in Maria Plain aufgeführt worden sein, als Leopold und Wolfgang Mozart hier musiziert haben. Das Flehen von Kranken, Sündern und Betrübten versieht der junge Mozart mit Klängen von Pein, die er aber in „ora pro nobis“auflöst – welch Propaganda für das Plainer Gnadenbild!
Oder in Anton Adlgassers „Salve Regina“, wenn von „diesem Tal der Tränen“gesungen wird: Auch da entfalten das Collegium Vocale der Salzburger Bachgesellschaft und das Salzburger Barockensemble eine delikate musikalische Tröstung.
Mit Anton Adlgasser, Mozarts Vorgänger als Hoforganist, setzt die Bachgesellschaft ein Zeichen für ihre Konzerte im Herbst: Sie wird weitere Werke von Komponisten aufführen, die in jenem Salzburg wirkten, das vor 200 Jahren einen Endund Tiefpunkt erreichen sollte.