Österreich auf der digitalen Kriechspur
Die Digitalisierung bringt zusätzliches Wachstum und viele Vorteile – wenn sie rasch und richtig umgesetzt wird. Doch genau dabei gibt es in Österreich Probleme, sagen die Ökonomen des Wifo.
WIEN. Ob Zeitung lesen und online einkaufen am Smartphone, Roboter in der Lagerhalle, die Digitalisierung hat bereits alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche erfasst. Dass die neuen technischen Möglichkeiten das Arbeitsleben verändern werden, darüber sind sich die Ökonomen einig, nicht aber, wie viele Arbeitsplätze sie kosten oder gar bringen werden.
Im Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) herrscht eher vorsichtiger Optimismus, wie eine neue Studie im Auftrag vom Mobilfunkmarktführer A1 zeigt. „Die Veränderungen werden kräftig sein, aber nicht abrupt“, sagt der scheidende Wifo-Chef Karl Aiginger am Montag. Studien, wonach fast die Hälfte der Jobs in den USA durch Automatisierung wegfalle, hält Aiginger jedoch für „unverantwortlich“.
Laut Wifo-Studie ändern sich eher die Tätigkeitsprofile in den Berufen als die Berufe selbst. In den vergangenen 20 Jahren sei zwar der Anteil der Beschäftigten, die manuelle Routinetätigkeiten ausführen, von knapp 17 auf zwölf Prozent gesunken, der Anteil derer mit kognitiven Routinejobs wie klassischer Büroarbeit aber von 22 auf 25 Prozent gestiegen, obwohl US-Forscher gerade diese gefährdet sehen.
Zugleich haben heute 35 Prozent der Beschäftigten analytische, interaktive Nicht-Routinetätigkeiten zu erledigen, die zunehmend herausfordernd werden und schwer zu automatisieren sind, verglichen mit 28 Prozent 1995. „Die Erfahrung zeigt, dass die kurzfristigen Auswirkungen des technologischen Wandels immer über- und die langfristigen immer unterschätzt werden“, sagt Studienautor Michael Peneder. Der Wandel sei gestaltbar.
Generell zeige sich, dass in Regionen mit höherem Beschäftigten anteil in computer technologie lasti gen Branchen – von EDV über Telekom bis zum Finanz- oder Kfz-Sektor – das Wirtschaftswachstum höher ist als in anderen. Dazu arbeitet man im Wifo an einer weiteren Studie.
Wie gut solche Unternehmen als Wachstumsmotoren dienen können, hängt allerdings direkt von der verfügbaren digitalen Infrastruktur ab. Und hier hinkt Österreich anderen reichen europäischen Ländern hinterher. Zwar haben A1, T-Mobile und „3“in den vergangenen Jahren einiges in den Ausbau der neuesten Mobilfunk standards und mobiles Internet investiert. Gemessen an den Spitzenreitern bei digitaler Infrastruktur wie Schweden oder Schweiz sind die Investitionen aber gering. Im EU-Digitalisierungs-Index (DESI) rangiert Österreich daher auch nur im Mittelfeld auf dem 13. Platz und gemessen an den EU15 nur auf Platz zehn. Bei schnellen Breitbandanschlüssen mit mehr als 30 Megabit pro Sekunde (Mbps) liegt Österreich gar nur auf Platz 20 dieses Index bzw. auf Platz zwölf unter den 15 reicheren Ländern.
Sollte tatsächlich eine Milliarde in Netzinfrastruktur investiert werden, würde das bis zu 1,2 Mrd. Euro an Wertschöpfung schaffen und fast 15.000 Beschäftigte auslasten. A1-Chefin Margarete Schramböck bekräftigt auch das Versprechen, die staatliche Fördersumme, die der Konzern erhält, zu verdoppeln. 2016 wird der Telekom-Marktführer rund 500 Mill. Euro „eigenes Geld“in Breitband investieren, unter anderem in den flächendeckenden Ausbau der 4. Mobilfunkgeneration. Bis 2019 sollen 70 Prozent der heimischen Haushalte mit Glasfaser versorgt sein.
Laut Wifo mangelt es in Österreich nicht an Breitband-Förderungen oder Strategien, sondern an der raschen und effektiven Umsetzung. „Wir haben zu wenig Ehrgeiz, an die Spitze zu kommen“, kritisiert WifoChef Aiginger, ortet aber bei der neuen Regierung größeres „Problembewusstsein“. „Wenn ich vor fünf Jahren das Thema angesprochen habe, hieß es nur: ,Es geht uns eh gut.‘ Heute gibt es zumindest viele Fragen, was man besser machen könnte“, sagt der Ökonom. Digitalisierung biete Chancen für mehr Wachstum, womit sich die hohe Arbeitslosigkeit senken ließe.
„Wir scheitern beim Vorstoß an die Spitze.“Karl Aiginger, Leiter des Wifo