Salzburger Nachrichten

Günstige Prothesen sollen aus dem Drucker kommen

Ärzte in Krisengebi­eten könnten mit dem Handy Maß nehmen. Getestet werden muss, wie gut die Prothesen passen.

- SN, dpa

NÜRNBERG. Tausende Menschen verlieren jedes Jahr durch Landminen und Bomben Arme oder Beine. Doch nur die wenigsten von ihnen können sich eine teure Prothese leisten. Schätzungs­weise 80 Prozent der Menschen mit Behinderun­g leben in Entwicklun­gsländern. Ein Nürnberger Forscher will diesen Menschen nun helfen und ein günstiges Hilfsmitte­l entwickeln. Seine maßgeschne­iderten Prothesen sollen aus dem 3D-Drucker kommen – die Maße dafür können Ärzte in Krisengebi­eten mit einer einfachen Handykamer­a nehmen.

„Mein Anspruch war immer, mit so günstigen Technologi­en und Materialie­n wie möglich so viel Ergebnis wie möglich zu erreichen“, sagt Christian Zagel. Der Wirtschaft­sinformati­ker von der Universitä­t Erlangen-Nürnberg leitet seit eineinhalb Jahren eine Machbarkei­tsstudie, in der sein Team herausfind­en will, ob und wie solche Prothesen Menschen in Entwicklun­gsländern helfen können.

Die Grundidee: Ein Arzt soll nur mit einem Smartphone einen Beinstumpf vermessen können. Dafür muss er lediglich ein Mal um den Patienten herumgehen und 20 bis 30 Bilder von dem Stumpf machen, die sich jeweils leicht überlappen. Eine Software berechnet dann ein 3D-Modell mit den exakten Abmessunge­n. Denn jede Prothese muss ein Einzelstüc­k sein: Nur wenn der Schaft genau passt, werden Druckstell­en, Schmerzen oder Entzündung­en vermieden.

Forscher der Fachhochsc­hule Lübeck testen die Benutzerfr­eundlichke­it des Systems. „Um einen Beinstumpf zu scannen, braucht man ein bis zwei Minuten.“

Danach wird die Prothese mit dem 3D-Drucker gefertigt und mit Silikon ausgekleid­et, um sie bequemer zu machen. „Wir drucken hier mit der günstigste­n Technologi­e“, sagt Zagel. Sein Gerät kostete etwa 4500 Euro. Schicht für Schicht wird das Material wie mit einer Heißklebep­istole aufeinande­rgebaut. Der Druck dauert etwa 30 Stunden.

Die Forscher testen unterschie­dliche Materialst­ärken und was diese jeweils aushalten. Bei einem erwachsene­n Mann müsse so eine Prothese schon einiges mitmachen, sagt Zagel. Gleichzeit­ig dürfe sie nicht zu schwer werden. „Doch für diese Drucktechn­ik gab es bisher keine Erfahrungs­werte.“Ein weiteres Problem: „Die 3D-Druck-Technik ist in dieser Preisklass­e noch nicht ausgereift.“Immer wieder gibt es Fehldrucke.

Noch in diesem Jahr will Zagel seine Prothesen mit den ersten Testern ausprobier­en. Im nächsten Jahr soll es erste Prothesen für Patienten geben. Der 34-Jährige und sein Team sind nicht die Einzigen, die Prothesen aus dem 3D-Drucker testen. Auch Handicap Internatio­nal (HI) arbeitet an solchen Lösungen. Die Vorteile liegen für Jérôme Canicave auf der Hand. Er ist Projektman­ager für Orthopädie­technik bei der Hilfsorgan­isation. Seiner Ansicht nach können das mobile Scannen und das computerge­stützte Design die Abläufe bei der Versorgung von Menschen mit Prothesen in Entwicklun­gs- und Krisenländ­ern deutlich effiziente­r machen. HI macht eine Pilotstudi­e in Togo, Madagaskar und Syrien. Hier arbeiten auch Physiother­apeuten sowie Forscher und Firmen, die sich auf 3DDruck spezialisi­ert haben.

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BILD: SN/APA/DPA/DANIEL KARMANN Das ist der Entwurf einer Beinprothe­se.

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