Wo Präsidenten und die Kelly Family nächtigten
Am Freitag kommen die EU-Außenminister zu einem informellen Treffen zusammen. Seinen Namen verdankt es einem Schloss.
Erftstadt ist wahrlich keine Metropole. Eine Reihe berühmter Weltenbürger hat die Stadt in Nordrhein-Westfalen trotzdem angezogen. Oder vielmehr das Wasserschloss Gymnich, das im gleichnamigen Ortsteil von Erftstadt liegt. 1974 fand dort das erste informelle Treffen der EU-Außenminister statt. Bis heute tragen diese Zusammenkünfte – das nächste findet diesen Freitag und Samstag in Bratislava statt – den Beinamen Gymnich-Treffen.
Ursprünglich war das von Gräben umgebene Wasserschloss der Familiensitz eines Adelsgeschlechts. Seine Geschichte reicht zurück ins 14. Jahrhundert. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts diente das Barockgebäude dann der deutschen Regierung als Gästehaus. Bis 1990 wurde es als solches genutzt, nicht zuletzt wegen seiner Nähe zu Bonn, dem keine 50 Kilometer entfernten Regierungssitz.
Auf Schloss Gymnich wurden Staatsoberhäupter wie der spanische König Juan Carlos oder die britische Queen Elizabeth empfangen, US-Präsident Ronald Reagan nächtigte dort ebenso wie Richard Nixon. Insgesamt fanden mehr als 180 Empfänge in dem Wasserschloss statt, für dessen Atmosphäre das Prädikat „Gymnich-like“ersonnen wurde.
Schloss Gymnich war aber nicht nur Schauplatz von stilgerechten Empfängen, sondern auch von geschichtsträchtigen politischen Treffen. 1989 sollen hier der ungarische Staatspräsident und sein Außenminister die deutsche Regierung erstmals von ihren Plänen unterrichtet haben, die Grenze nach Österreich für Flüchtlinge aus der DDR zu öffnen.
Nach 1990 endete zumindest vorerst die politische Geschichte des Schlosses, das wenig später Einzug in den Klatschspalten der Zeitungen hielt: Der singende Clan der Kelly Family ersteigerte das Gebäude 1998. Anstelle von Nachrichtenreportern sah man rund um das Anwesen fortan eher Paparazzi und Fans, die einen Blick auf ein Mitglied der singenden Familie erhaschen wollten.
Diese Episode in der Geschichte von Schloss Gymnich hielt allerdings nicht lang an. 2002 musste die Familie ausziehen, das Anwesen wurde zwangsversteigert. Nachdem es zwischenzeitlich als Hotel, Restaurant und Veranstaltungsort geführt wurde, befindet sich das Wasserschloss seit ein paar Jahren im Privatbesitz eines Ehepaares, wie es von der Stadtverwaltung Erftstadt heißt. Derzeit wird aufwendig umgebaut und restauriert. Wie das Schloss nach dem Abschluss der Arbeiten genutzt werden soll, darüber hat man in der Stadtverwaltung allerdings keine Kenntnis.
Der Name Gymnich bleibt jedenfalls bestehen. Nicht nur für Ortsteil und Schloss, sondern auch im diplomatischen Jargon der EUAußenminister. STEPHANIE.PACK@SALZBURG.COM