Salzburger Nachrichten

„Man lernt von seinen Kunstwerke­n“

Erwin Wurm stellt in Salzburg aus und spricht im Interview über teure zeitgenöss­ische Kunst, Subvention­spolitik und sein Biennale-Projekt.

- Erwin Wurm in der Salzburger Galerie Ropac. Erwin Wurm, „Zwielicht“, Galerie Ropac, bis 19. 11.

Erwin Wurm ist der teuerste österreich­ische Künstler. In der Salzburger Galerie Thaddaeus Ropac zeigt er seit Montag neue Arbeiten. SN: Herr Wurm, Sie sind in aller Munde. In den kommenden zwei Jahren realisiere­n Sie 16 Einzelauss­tellungen. Wie kommen Sie mit der Arbeit hinterher? Wurm: Ich habe einen großen Stock an Werken. Die Museumstou­r in Brasilien wird in vier Städten gezeigt, ist aber eine Schau. Die anderen sind gut eingeteilt. Museale Ausstellun­gen sind einfacher als Galerieaus­stellungen, man kann mit dem Gesamtwerk operieren, neue Perspektiv­en darauf schaffen. Für Galerien muss ich aufgrund des Verkaufs alles neu schaffen. SN: 2017 vertreten Sie gemeinsam mit Brigitte Kowanz Österreich bei der Kunstbienn­ale in Venedig. Was haben Sie geplant? Ich will mich nicht mit der dortigen Architektu­r auseinande­rsetzen, das kam in den letzten Jahren immer wieder, außerdem arbeite ich nicht so. Vielmehr nehme ich Räume als Gebrauchsg­egenstand und breite mich dort aus. Ich habe Gussformen zerschnitt­en und werde sie neu zusammenfü­gen und damit das Thema der Deformatio­n weitertrei­ben. Die „One Minute Sculptures“werden 2017 20 Jahre. Sie werde ich inRi ch tungSel fies undSelb std ar stellungsp­hä nomen erweitern. Das kann ich aber noch nicht benennen, lassen Sie sich überrasche­n. SN: Bei der Biennale gibt es viele Auflagen der Veranstalt­er. Die Biennale ist insofern speziell, da die Pavillons unter Denkmalsch­utz stehen und jetzt auch noch die Gärten dazwischen zum Weltkultur­erbe gemacht werden. Ein Irrsinn! Ich will draußen ausstellen, also muss ich mich auf das unmittelba­re Umfeld beschränke­n. Das ist alles echt mühsam. Ähnlich verhält es sich mit den Kosten. SN: Inwiefern? Alles ist unglaublic­h teuer. Vom Budget muss auch die Aufsicht bezahlt werden, die Reinigung, Hotels, Essen. Die Biennale ist ein ideeller Gewinn, aber kein finanziell­er. SN: Das Budget ist mit 400.000 Euro festgelegt. Wie sieht die Aufteilung zwischen Ihnen und Brigitte Kowanz aus? Ich konnte zwei Mäzene finden, Siegfried Wolf und die Strabag, die meine Produktion­skosten tragen. Brigitte Kowanz lässt im Hof einen Raum bauen, daher verzichte ich auf mein Produktion­shonorar. Wir werden getrennt arbeiten, da wir völlig andere Positionen einnehmen. Verzweifel­t Gemeinsamk­eiten zu suchen ergibt keinen Sinn. SN: Wie würden Sie Ihre Position beschreibe­n? Meine Kunst hat viel mit performati­ven Elementen zu tun, sei es mit dem Publikum oder mir selbst. Das gehört zum Werkcharak­ter. Sonst beschäftig­e ich mich mit Themen unserer Zeit und Gesellscha­ft. Diese Dinge versuche ich mit dem skulptural­en Medium abzufragen. SN: Wie wählen Sie die Materialie­n der Skulpturen? Ich war nie ein Steinbildh­auer, das heißt, ich muss gießen lassen. Man kommt relativ rasch drauf, dass nur wenige Materialie­n im Freien Bestand haben. Am meisten Ruhe hat man vom Sammler bei Aluminium oder Bronzegüss­en, da verändert sich nur die Patina. Ansonsten wird man immer wieder mit alten Arbeiten konfrontie­rt, die mich nicht mehr interessie­ren. Also nehme ich nur mehr Material, das hält und sich somit verabschie­det. Da musste ich umdenken. Gerhard Richter meinte: „Meine Bilder sind klüger als ich.“Das stimmt. Man lernt von seinen Kunstwerke­n. Sturheit ist nicht immer die beste Möglichkei­t. SN: Richter meinte auch, zeitgenöss­ische Kunst sei zu teuer. Vielleicht seine, meine nicht! Seine Arbeiten sind um ein Vielfaches teurer. Aber klar, Gegenwarts­kunst kann abstrus teuer sein. Zu Hause habe ich lebensgroß­e, klassische Skulpturen, die kosten heute nicht mehr als ein paar Tausend Euro. Das wäre für eine zeitgenöss­ische Plastik nicht denkbar. SN: War finanziell­er Erfolg von Anfang an Ihr Anspruch? Mein Anspruch war, relativ rasch von der Kunst leben zu können, denn egal mit welchem Thema man sich im Leben beschäftig­t, man sollte es mit 110 Prozent machen. Anfangs war ich naiv, aber ich hab mich durchgekäm­pft und es ist mir geglückt, dafür bin ich dankbar. SN: Ihnen wird oftmals eine sehr hohe Marktorien­tierung, gar Gefälligke­it vorgeworfe­n. Wie stehen Sie dem gegenüber? Dazu kann ich sagen, ich habe in den 1980er-Jahren meinen Markt und Galeristen bitter enttäuscht, indem ich mich von der damaligen Arbeitswei­se – den frühen Bretterpla­stiken – total distanzier­t habe. Weil es nur eine Gegenreakt­ion auf eine Lehrmeinun­g war. Da sind alle weggefalle­n: Sammler, Galerien, Kritiker. Deshalb lässt mich der Vorwurf kalt. Außerdem sind die Arbeiten meines größten Werkblocks, die „One Minute Sculptures“, aufgrund ihres performati­ven Charakters nahezu unverkäufl­ich. SN: Seit 2014 sind Sie im Österreich­ischen Kunstsenat. Wie geht es Ihnen damit? Der Kunstsenat ist eine schwierige Veranstalt­ung. Er hat eigentlich beratende Funktion für den Minister. Das wird leider nicht wahrgenomm­en. Im Senat sind zu wenige Frauen, und es gehören mehr jüngere Leute rein. Da aber auch dort das Mehrheitsr­echt zählt, sind Veränderun­gen nur langsam umsetzbar. SN: Sie sind selbst ein hochdotier­ter Künstler, wie stehen Sie zu Kunstsubve­ntionierun­g? Ich bin zwiegespal­ten. Ich für mich wollte das nie dauerhaft in Anspruch nehmen, weil Subvention­sempfang eine politische Abhängigke­it schafft. Das Beste wäre, Kunst abschreibb­ar zu machen, da hätten alle etwas davon. Und vor allem hätte man auch den Schwarzmar­kt in Griff. SN: Aber wäre nicht die Folge eine starke Marktabhän­gigkeit? Künstler gehören in einer gewissen Phase unterstütz­t, aber das kann nicht ein Leben lang funktionie­ren. Ansonst hält man sie in einem Traum, der nichts mit der Realität zu tun hat.

In Ländern wie den USA gibt es keine Kunstsubve­ntionen, und es funktionie­rt wunderbar. Wenn sich Politiker Künstler als Liebkinder halten, finde ich das gefährlich. Wer beißt schon in die Hand, die füttert? Ausstellun­g:

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BILD: SN/SN/NEUMAYR/LEO

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