„Man lernt von seinen Kunstwerken“
Erwin Wurm stellt in Salzburg aus und spricht im Interview über teure zeitgenössische Kunst, Subventionspolitik und sein Biennale-Projekt.
Erwin Wurm ist der teuerste österreichische Künstler. In der Salzburger Galerie Thaddaeus Ropac zeigt er seit Montag neue Arbeiten. SN: Herr Wurm, Sie sind in aller Munde. In den kommenden zwei Jahren realisieren Sie 16 Einzelausstellungen. Wie kommen Sie mit der Arbeit hinterher? Wurm: Ich habe einen großen Stock an Werken. Die Museumstour in Brasilien wird in vier Städten gezeigt, ist aber eine Schau. Die anderen sind gut eingeteilt. Museale Ausstellungen sind einfacher als Galerieausstellungen, man kann mit dem Gesamtwerk operieren, neue Perspektiven darauf schaffen. Für Galerien muss ich aufgrund des Verkaufs alles neu schaffen. SN: 2017 vertreten Sie gemeinsam mit Brigitte Kowanz Österreich bei der Kunstbiennale in Venedig. Was haben Sie geplant? Ich will mich nicht mit der dortigen Architektur auseinandersetzen, das kam in den letzten Jahren immer wieder, außerdem arbeite ich nicht so. Vielmehr nehme ich Räume als Gebrauchsgegenstand und breite mich dort aus. Ich habe Gussformen zerschnitten und werde sie neu zusammenfügen und damit das Thema der Deformation weitertreiben. Die „One Minute Sculptures“werden 2017 20 Jahre. Sie werde ich inRi ch tungSel fies undSelb std ar stellungsphä nomen erweitern. Das kann ich aber noch nicht benennen, lassen Sie sich überraschen. SN: Bei der Biennale gibt es viele Auflagen der Veranstalter. Die Biennale ist insofern speziell, da die Pavillons unter Denkmalschutz stehen und jetzt auch noch die Gärten dazwischen zum Weltkulturerbe gemacht werden. Ein Irrsinn! Ich will draußen ausstellen, also muss ich mich auf das unmittelbare Umfeld beschränken. Das ist alles echt mühsam. Ähnlich verhält es sich mit den Kosten. SN: Inwiefern? Alles ist unglaublich teuer. Vom Budget muss auch die Aufsicht bezahlt werden, die Reinigung, Hotels, Essen. Die Biennale ist ein ideeller Gewinn, aber kein finanzieller. SN: Das Budget ist mit 400.000 Euro festgelegt. Wie sieht die Aufteilung zwischen Ihnen und Brigitte Kowanz aus? Ich konnte zwei Mäzene finden, Siegfried Wolf und die Strabag, die meine Produktionskosten tragen. Brigitte Kowanz lässt im Hof einen Raum bauen, daher verzichte ich auf mein Produktionshonorar. Wir werden getrennt arbeiten, da wir völlig andere Positionen einnehmen. Verzweifelt Gemeinsamkeiten zu suchen ergibt keinen Sinn. SN: Wie würden Sie Ihre Position beschreiben? Meine Kunst hat viel mit performativen Elementen zu tun, sei es mit dem Publikum oder mir selbst. Das gehört zum Werkcharakter. Sonst beschäftige ich mich mit Themen unserer Zeit und Gesellschaft. Diese Dinge versuche ich mit dem skulpturalen Medium abzufragen. SN: Wie wählen Sie die Materialien der Skulpturen? Ich war nie ein Steinbildhauer, das heißt, ich muss gießen lassen. Man kommt relativ rasch drauf, dass nur wenige Materialien im Freien Bestand haben. Am meisten Ruhe hat man vom Sammler bei Aluminium oder Bronzegüssen, da verändert sich nur die Patina. Ansonsten wird man immer wieder mit alten Arbeiten konfrontiert, die mich nicht mehr interessieren. Also nehme ich nur mehr Material, das hält und sich somit verabschiedet. Da musste ich umdenken. Gerhard Richter meinte: „Meine Bilder sind klüger als ich.“Das stimmt. Man lernt von seinen Kunstwerken. Sturheit ist nicht immer die beste Möglichkeit. SN: Richter meinte auch, zeitgenössische Kunst sei zu teuer. Vielleicht seine, meine nicht! Seine Arbeiten sind um ein Vielfaches teurer. Aber klar, Gegenwartskunst kann abstrus teuer sein. Zu Hause habe ich lebensgroße, klassische Skulpturen, die kosten heute nicht mehr als ein paar Tausend Euro. Das wäre für eine zeitgenössische Plastik nicht denkbar. SN: War finanzieller Erfolg von Anfang an Ihr Anspruch? Mein Anspruch war, relativ rasch von der Kunst leben zu können, denn egal mit welchem Thema man sich im Leben beschäftigt, man sollte es mit 110 Prozent machen. Anfangs war ich naiv, aber ich hab mich durchgekämpft und es ist mir geglückt, dafür bin ich dankbar. SN: Ihnen wird oftmals eine sehr hohe Marktorientierung, gar Gefälligkeit vorgeworfen. Wie stehen Sie dem gegenüber? Dazu kann ich sagen, ich habe in den 1980er-Jahren meinen Markt und Galeristen bitter enttäuscht, indem ich mich von der damaligen Arbeitsweise – den frühen Bretterplastiken – total distanziert habe. Weil es nur eine Gegenreaktion auf eine Lehrmeinung war. Da sind alle weggefallen: Sammler, Galerien, Kritiker. Deshalb lässt mich der Vorwurf kalt. Außerdem sind die Arbeiten meines größten Werkblocks, die „One Minute Sculptures“, aufgrund ihres performativen Charakters nahezu unverkäuflich. SN: Seit 2014 sind Sie im Österreichischen Kunstsenat. Wie geht es Ihnen damit? Der Kunstsenat ist eine schwierige Veranstaltung. Er hat eigentlich beratende Funktion für den Minister. Das wird leider nicht wahrgenommen. Im Senat sind zu wenige Frauen, und es gehören mehr jüngere Leute rein. Da aber auch dort das Mehrheitsrecht zählt, sind Veränderungen nur langsam umsetzbar. SN: Sie sind selbst ein hochdotierter Künstler, wie stehen Sie zu Kunstsubventionierung? Ich bin zwiegespalten. Ich für mich wollte das nie dauerhaft in Anspruch nehmen, weil Subventionsempfang eine politische Abhängigkeit schafft. Das Beste wäre, Kunst abschreibbar zu machen, da hätten alle etwas davon. Und vor allem hätte man auch den Schwarzmarkt in Griff. SN: Aber wäre nicht die Folge eine starke Marktabhängigkeit? Künstler gehören in einer gewissen Phase unterstützt, aber das kann nicht ein Leben lang funktionieren. Ansonst hält man sie in einem Traum, der nichts mit der Realität zu tun hat.
In Ländern wie den USA gibt es keine Kunstsubventionen, und es funktioniert wunderbar. Wenn sich Politiker Künstler als Liebkinder halten, finde ich das gefährlich. Wer beißt schon in die Hand, die füttert? Ausstellung: