Venedig schaut in die Zukunft
Das Eröffnungsdiner ist heuer abgesagt und rund um den roten Teppich gibt es eine Sicherheitszone. Dennoch will sich Venedig mit seinen 73. Filmfestspielen auch öffnen.
VENEDIG. Die ewige Baugrube vor dem Palazzo Casinó ist zugeschüttet, an ihrer Stelle steht nun ein knallrotes Hochglanz-Containerkino, und auch sonst ist alles eitel Wonne: Im fünften Jahr der aktuellen Direktion von Alberto Barbera beim Filmfestival von Venedig wirkt es, als wäre der seit Jahren dräuende Untergang des Festivals endlich abgewehrt. Die Kinosäle seien in Sachen Projektions- und Tontechnik allesamt auf dem neuesten Stand, sagte Barbera bei der Programmpressekonferenz, und einige neue Initiativen sollen die Zukunft an den Lido holen: vom „Biennale College“, das jungen Filmemacherinnen und Filmemachern aus der ganzen Welt bei ihren Erstlingswerken unter die Arme greift, über die „Production Bridge“, die Filmproduzentinnen und Techniker vernetzen soll, bis hin zum digitalen Kinosaal, der schon seit ein paar Jahren die Onlinesichtung von Filmen aus der Orizzonti-Sektion auch für Cineasten erlaubt, die nicht nach Venedig kommen. Zur Eröffnung der 73. Filmbiennale läuft am heutigen Mittwoch „La La Land“, eine romantische Musikkomödie über die Liebe zwischen der angehenden Schauspielerin Mia (Emma Stone) und dem erfolglosen Jazzmusiker Sebastian (Ryan Gosling). Regie führte der erst 31-jährige Damien Chazelle, dessen vorangegangener Film „Whiplash“fünf Oscarnominierungen abgeräumt hatte. Doch so fröhlich der Film anmutet, die Freude ist gedämpft: Aus Respekt vor den Opfern des Erdbebens von letzter Woche sei das traditionelle glamouröse Eröffnungsdiner abgesagt worden, heißt es vonseiten des Festivals. Ansonsten nimmt das Programm wie üblich seinen Lauf, mit prominenten Autorenfilmern von François Ozon über Derek Cianfrance, Denis Villeneuve, Kim Ki-Duk bis Emir Kusturica und Pablo Larrain. Mel Gibson darf „Hacksaw Ridge“ vorstellen, einen Kriegsfilm mit ExSpider-Man Andrew Garfield in der Hauptrolle, und Paolo Sorrentinos Fernsehserie „The Young Pope“mit Jude Law als frisch gewähltem Papst erlebt hier ihre Premiere.
Aus Österreich wurden vier Langfilme an den Lido geladen: Ulrich Seidls „Safari“, eine entlarvende, brillant gefilmte Studie über Touristen, die sich in Namibia und Südafrika als Großwildjäger versuchen, ist außer Konkurrenz zu sehen. Ronny Trockers „Die Einsiedler“läuft in der Reihe Orizzonti und handelt von einem Bergbauernsohn (Andreas Lust), der sich im Konflikt mit seiner Mutter (Ingrid Burkhard) zwischen dem abgelegenen elterlichen Hof und dem Leben im Tal entscheiden muss. Michael Palms Doku „Cinema Futures“in der Reihe Venice Classics untersucht die Veränderungen, denen das Material Filmstreifen in Zeiten digitaler Projektion unterworfen ist.
Unterdessen bröckelt die venezianische Kulisse weiter. Das geschichtsträchtige Hotel des Bains, in dem einst Thomas Mann urlaubte, steht nun schon seit sechs Jahren hinter einem Bauzaun leer, doch die Gegenwart ist eingetroffen, auch in Form von erhöhten Sicherheitsvorkehrungen: Noch am Tag vor der Eröffnung erinnern grobschlächtige Betonblöcke auf den Zu- und Abfahrtsstraßen zu Palazzo Casinó und Palazzo del Cinéma daran, wie nach den Anschlägen von Nizza und München die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt wurden. Wie genau die angekündigten Kontrollen rund um die „rote Zone“aussehen, die um das Festival eingerichtet wurde, ist noch unklar, doch mit längeren Wartezeiten für Festivalbesucher und Schaulustige ist zu rechnen.
Dafür sind im neuen roten Containerkino, der „Sala Giardino“, bei freiem Eintritt Filme zu sehen, die Unterhaltungs- ebenso wie künstlerischen Ansprüchen genügen sollen. Wie genau das jahrelange Asbestproblem in der Baugrube vor dem Palazzo Casinó gelöst werden konnte, erwähnte Barbera übrigens nicht. Hauptsache, der Schandfleck ist nicht mehr zu sehen.