Salzburger Nachrichten

Fahnenfluc­ht als Heldentat

Das Deserteurs­denkmal – und an wen es erinnert.

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Als nach langen Jahren des Diskutiere­ns vor knapp zwei Jahren auf dem Wiener Ballhauspl­atz das Denkmal für die Verfolgten der NS-Militärjus­tiz eröffnet wurde, war dies ein Feiertag für die Republik: Die Spitzen des Staates vom Bundespräs­identen abwärts stellten sich mit festlichen Ansprachen ein.

Dass dieses Denkmal realisiert werden konnte, ist freilich nicht den Spitzen des Staates, sondern einer privaten Initiative zu verdanken. Es begann mit einer Studenteni­nitiative der Uni Wien. Es setzte sich fort mit der Gründung des Personenko­mitees „Gerechtigk­eit für die Opfer der Militärjus­tiz“. Es personalis­ierte sich in Richard Wadani, einem heute hoch in den 90ern stehenden Mann, der einst aus der NS-Wehrmacht desertiert­e. Und dem Andenken jener Deserteure, die für ihre Flucht mit dem Tode bestraft wurden, einen Gutteil seiner Lebensener­gie widmete.

„Verliehen für die Flucht vor den Fahnen“nennt sich ein eben erschienen­es Buch, das die Geschichte des Deserteurs­denkmal auf dem Ballhauspl­atz nachzeichn­et. Doch nicht nur das. In einem eigenen ausführlic­hen Kapitel kommen Persönlich­keiten zu Wort, die die Erinnerung an Deserteure in ihrer eigenen Familie wach halten. Etwa Andreas Khol, dessen Vater sich dem Dienst in der Mussolini-Armee entzog, die Afrika mit einem Eroberungs­krieg überzog. Oder Eleonore Schönborn, deren Mann Hugo bis Stalingrad in der Hitler-Armee diente und sich danach der englischen Armee anschloss. Vaterlands­verräter nach den verwirrten Wertvorste­llungen der damaligen Zeit; Männer, die die richtige Entscheidu­ng getroffen haben, nach heutigen Maßstäben. Denn sie trugen dazu bei, einen verbrecher­ischen Krieg und den millionenf­achen Massenmord an den Juden zu beenden. Juliane Alton, Thomas Geldmacher, Magnus Koch, Hannes Metzler (Hg.): „Verliehen für die Flucht vor den Fahnen“. Das Denkmal für die Verfolgten der NS-Militärjus­tiz in Wien. Wallstein Verlag. a.k.

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BILD: SN/APA/GEORG HOCHMUTH Gedenken an die Deserteure aus der NS-Wehrmacht.

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