EU-Länder setzen Beschlüsse schleppend um
Von geplanten 160.000 Flüchtlingen wurden erst knapp über 5600 innerhalb der EU umverteilt.
BRÜSSEL. In Ungarn ist die Aufregung auch ein Jahr nach dem Beschluss zur Umverteilung von Flüchtlingen groß – am Sonntag gipfelt sie in einem Referendum. In der Praxis zeigt sich: Recht weit ist es mit dieser Umverteilung noch nicht her. Wie der jüngste Fortschrittsbericht der EU-Kommission von dieser Woche zeigt, sind mit Stand vom 26. September erst 5651 Flüchtlinge aus Italien und Griechenland in andere EU-Länder umgesiedelt worden. Geplant sind 160.000.
Der für Migration zuständige EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos gab sich diese Woche in Brüssel dennoch optimistisch. Allein im September habe es 1200 Umsiedlungen gegeben. Das beweise, „dass die Umverteilung beschleunigt werden kann, wenn der politische Wille dazu und das entsprechende Verantwortungsbewusstsein vorhanden sind“, meinte der Grieche.
Allein auf den guten Willen der Länder verlässt sich die EU-Kommission allerdings nicht. „Wir dürfen auch nicht vergessen, dass die Staaten de jure verpflichtet sind, bereits getroffenen Entscheidungen nachzukommen“, mahnte Avramopoulos die EU-Mitglieder.
Rein rechtlich sieht der Beschluss der EU-Innenminister vom vergangenen September vor, dass die Staaten ihre Quote bei der Umverteilung innerhalb von zwei Jahren erfüllen müssen. Bis dahin kann Brüssel im Grunde nur versuchen, Überzeugungsarbeit zu leisten. Danach sind auch juristische Schritte möglich, konkret die Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren gegen jene Länder, die ihren Verpflichtungen nicht nachkommen. „Die Kommission behält sich auch vor, rechtlich gegen Mitgliedsstaaten vorzugehen“, bestätigte die EU-Kommission diese Option. Über den Mechanismus der Umverteilung hat Frankreich bislang am meisten Flüchtlinge aufgenommen (1952). Mehr als 500 wurden nur nach Finnland, Portugal und in die Niederlande übersiedelt. Österreich beteiligt sich derzeit gar nicht, hat wegen der hohen Zahl an Asylanträgen allerdings auch einen Aufschub bei der zusätzlichen Aufnahme von Flüchtlingen bekommen.
Etwas besser als die Umverteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU funktionieren die Neuansiedlungen von Flüchtlingen aus der Krisenregion um Syrien und der Türkei, wie es im Abkommen mit Ankara vereinbart wurde. Insgesamt 10.695 Menschen kamen über dieses System mit Stand 26. September in die Union.
Das umstrittene Abkommen mit der Türkei hat aus Sicht der EUKommission zu „konkreten positiven Ergebnissen“geführt. Seit Ankara erklärt hat, Flüchtlinge von den griechischen Inseln zurückzunehmen, sind dort die Ankünfte deutlich zurückgegangen. Seit Juni kommen laut den Zahlen der EUKommission im Schnitt täglich 85 Menschen an. Im Monat davor waren es noch 1700 Flüchtlinge pro Tag und im Oktober 2015 7000.
Für gemeistert will die Flüchtlingskrise in Brüssel trotz dieser Zahlen freilich niemand erklären. Zu fragil ist das Abkommen mit der Türkei und zu unsicher ist die Lage sowohl in Syrien als auch in den benachbarten Ländern dieser Region.
Die EU setzt nun vor allem auf den Aufbau der EU-Grenz- und Küstenwache. Sie wurde im Rekordtempo beschlossen und soll mit 6. Oktober den Betrieb aufnehmen. vom
„Wir behalten uns auch vor, rechtlich gegen Länder vorzugehen.“