Betonierer trifft es nicht so ganz
Fritz Neugebauer tritt als Beamtengewerkschafter ab. Oder auch nicht. Porträt eines Vielschichtigen.
WIEN. Wer die Begriffe „Neugebauer“und „Betonierer“in eine Internet-Suchmaschine eingibt, erhält nicht bloß weit über 1000 Treffer. Er erhält auch Schlagzeilen wie: „Bollwerk gegen moderne Bildung.“Oder: „Neugebauer gehört nicht mehr ganz in diese Zeit.“Oder: „Fritz, der den Beton anrührt.“Oder, in aller Kürze: „Dinosaurier.“
All diese Beschreibungen sind ebenso naheliegend wie falsch. Oder zumindest schwer einseitig. Gewiss, Fritz Neugebauer, gelernter Lehrer, seit vielen Jahren Chef der Beamtengewerkschaft (GÖD), im Laufe seiner langen politischen Laufbahn auch Chef des ÖVP-Arbeitnehmerbunds (ÖAAB), ÖVPBildungssprecher und Zweiter Nationalratspräsident, hat sich seinen Ruf als beinharter Verhandler redlich erworben. Das haben etliche Beamten- und Unterrichtsminister(innen) zu spüren bekommen. Etwa Claudia Schmied, die den Lehrern zwei Stunden unbezahlte Mehrarbeit aufbrummen wollte. Nicht mit Fritz Neugebauer als oberstem Schirmherrn der Lehrer! Es fiel dem streitbaren Beamtengewerkschaftschef auch nicht schwer, zigtausende Beamte vor dem Kanzleramt aufmarschieren zu lassen, wenn er dies für richtig und wichtig hielt. Auch Gesamtschul-Visionäre hatten in Verhandlungen mit Neugebauer nicht viel zu lachen.
Doch es gibt auch die andere Seite des Fritz Neugebauer. Und damit sind nicht die ausgesuchte Höflichkeit und der persönliche Charme gemeint, mit denen der bullige Gewerkschaftsboss seine Gesprächspartner überrascht. Sondern seine stark ausgeprägte Sensibilität für heikle Fragen der österreichischen Geschichte. Etwa für die juristische Rehabilitierung von Opfern des Austrofaschismus. Oder für die Rehabilitierung der Wehrmachtsdeserteure. „In all diesen Fragen war Fritz Neugebauer ein starker Ver- bündeter, einer, auf dessen Wort Verlass war“, erinnert sich der Politikwissenschafter Hannes Metzler, damals vergangenheitspolitischer Referent der Grünen.
Neugebauer trieb diese längst fälligen Dinge, ungeachtet der Tatsache, dass sie von den Grünen initiiert worden waren, in seiner Eigenschaft als ÖVP-Verhandler und Zweiter Nationalratspräsident voran. Oft auch gegen den Widerstand in der eigenen Partei, die erst davon überzeugt werden musste, dass auch der Austrofaschismus eine Art von Faschismus war. Oder dass Desertion aus der Hitler-Wehrmacht „ein Akt des Widerstandes“war und kein Delikt, wie es Neugebauer formulierte. Bei der DeserteursAusstellung, die den Verfolgten und Ermordeten der Wehrmachtsgerichte gewidmet war, erbat sich Neugebauer sogar eine Sonderführung, weil er zu seinem Bedauern bei der offiziellen Eröffnung verhindert war, erinnert sich Metzler. Neugebauer habe sich den Erkenntnissen der Historikerzunft geöffnet „und alte Trampelpfade verlassen“, sagt der grüne Experte.
Ob Neugebauer nun auch die Politik verlässt, sprich: ob er den Vorsitz in der Beamtengewerkschaft zurücklegt, ist ein gut gehütetes Geheimnis. „Warten Sie auf den Montag“, rät er den SN. An diesem Tag feiert Neugebauer nicht nur seinen 72. Geburtstag. An diesem Tag wählt der GÖD-Bundeskongress auch seinen Vorsitzenden für die nächsten fünf Jahre. Neugebauer will den Delegierten selbst seine Entscheidung über Kandidatur oder Nichtkandidatur bekannt geben. Die Spatzen pfeifen von den Dächern, dass sein Nachfolger bereits feststeht: Norbert Schnedl, Vizepräsident des ÖGB und Chef der Fraktion Christlicher Gewerkschafter (auch diese beiden Funktionen hatte übrigens einst Neugebauer in seiner Hand vereint). Ob die pfeifenden Spatzen recht behalten, wird sich weisen.