„Brauchen keinen schlanken, sondern einen starken Staat“
Beamtengewerkschaftschef Fritz Neugebauer über die Zehn Gebote und detailverliebte Gesetzgeber.
SN: Worauf kommt es an aus der Sicht der Beamten? Fritz Neugebauer: Die öffentlichen Dienste brauchen eine planbare Personalbewirtschaftung durch die Regierungen in Bund und Ländern. Es geht nicht, dass Personal erst dann bewilligt wird, wenn schon etwas passiert ist. SN: Was meinen Sie damit? Denken Sie an die Migration, die die öffentlichen Dienste an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit bringt. Diese Wanderbewegung ist ja nicht über Nacht eingetreten, sie muss aber von den vorhandenen Beamten bewältigt werden. Exekutivbeamte beispielsweise brauchen eine zweijährige Ausbildung. Wir sind hier also einigermaßen in Verzug, wenn wir erst jetzt damit beginnen. Bisher haben die öffentlichen Dienste die mit der Migrationsbewegung verbundene Bewährungsprobe gut bestanden, ob das jetzt die Exekutive ist, das Bundesheer, Pflegepersonal, Schulen, Bezirkshauptmannschaften. Es hat sich gezeigt, dass ein starker Staat und eine qualifizierte Beamtenschaft notwendig sind, um nicht das Vertrauen in den Rechtsstaat zu verlieren. SN: Von einem Aufnahmestopp im öffentlichen Dienst halten Sie also wenig? Gar nichts. Es geht darum, langfristig zu planen und nicht um einen Planposten mehr oder weniger zu geizen. Die Nichtnachbesetzung von Dienstposten hat zur Folge, dass uns in manchen Bereichen ganze Jahrgänge fehlen. Und dass Erfahrungswissen nicht weitergegeben werden kann. Diese Weitergabe von Wissen ist aber immens wichtig, da spart man sich ja Schulungskosten in großer Höhe. SN: Im Leitantrag, der dem Beamtengewerkschaftskongress vorgelegt wird, steht wörtlich: „Die jahrzehntelange Politik der Umsetzung eines möglichst schlanken Staates (neoliberale Politik) ist gescheitert.“Haben wir tatsächlich einen schlanken Staat? Kritiker sprechen von einer aufgeblähten Verwaltung. Es gibt unverdächtige Untersuchungen über die Länder der Europäischen Union, die das Gegenteil besagen. Im Schnitt der EU-Staaten sind knapp über 15 Prozent der Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst beschäftigt. In den skandinavischen Ländern kommt man in die Gegend von 30 Prozent. Österreich kommt aus mit 10,7 Prozent Beamten. Wir sind schlank genug und müssen nicht weiter abmagern. Keine Beamten mehr aufzunehmen und auf diese Weise das Budget sanieren zu wollen – das ist ein Horror. SN: Gibt es in Österreich zu viele Gesetze? Die Zehn Gebote reichen heute nicht mehr aus, wir sind eine differenzierte Gesellschaft. Aber die Detailverliebtheit des Gesetzgebers bei Anlassfällen ist schon sehr stark. Es gibt bei den Beamten ein geflügeltes Wort, das da lautet: Wir brauchen gar nicht streiken, wir müssen nur tausendprozentig alles einhalten, was uns der Gesetzgeber auferlegt.
Aber die Dinge sind nicht so einfach: Die Gewerbeordnung etwa wird immer als Beispiel einer überschießenden Regulierungswut herangezogen. Auf der anderen Seite sichert uns die Gewerbeordnung die Qualität des Berufsnachwuchses. Das ist auch ein Argument, mit dem man sich auseinandersetzen muss.