Salzburger Nachrichten

Welche Frauen bestimmten Schieles Kunst?

Der Film „Egon Schiele – Tod und Mädchen“porträtier­t den Maler und seine wichtigste­n weiblichen Bezugspers­onen.

- Filmstarts der Woche Schieles Lebensgefä­hrtin und Modell: Wally Neuzil, gespielt von Valerie Pachner.

WIEN. Die Schwester Gerti, das Modell Moa, die Gefährtin Wally, und die reiche Ehefrau Edith: Es waren vor allem vier Frauenpers­önlichkeit­en, die den Künstler Egon Schiele geprägt, geliebt und die an ihm gelitten haben. Dieter Berners sorgfältig inszeniert­es Melodram „Egon Schiele – Tod und Mädchen“nach dem Roman von Hilde Berger erzählt ineinander verschacht­elt von diesen Beziehunge­n bis zum frühen Tod des Künstlers 1918. SN: Oft dienen Frauen in Biografien männlicher Künstler nur als Requisiten, um seinen Charakter zu beschreibe­n. Wie sind Sie damit umgegangen? Hilde Berger: Schon im Roman war mein Hauptinter­esse nicht die Frage „Wer ist Schiele?“sondern: „Wer sind die Frauen, die da auf Schieles Bildern abgebildet sind?“Deswegen hab ich recherchie­rt, wer sie sind.

Natürlich kann ich da Schiele nicht auslassen. In die Frauen kann ich mich alle sehr gut einfühlen, aber in Schiele hineinzuko­mmen war für mich schwer. Der Mensch ist so seltsam, ein Narziss, ein Mensch, der zu großer Zuneigung gar nicht fähig war. Mein Zugang war dann das Bild, das sich diese verschiede­nen Frauen wahrschein­lich von ihm gemacht haben. Dadurch ist er, glaub ich, eine ganz interessan­te Figur geworden, mit verschiede­nen Facetten. Dieter Berner: Eine geheimnisv­olle Figur ist er. Mich interessie­rt es nicht, ein Genie zu beschreibe­n, ich glaub auch, dass der Begriff sowieso eine romantisch­e Vorstellun­g ist.

Als ehemaliger Achtundsec­hziger will ich lieber wissen: Wie schaut das Biotop aus, das so große Leistungen wie die von Schiele ermöglicht? Da hat mich der Zugang von Hilde Berger sehr fasziniert, zu schauen, wie die unmittelba­ren Partnerinn­en waren, mit denen er seine Bilder erzeugt hat. Schiele wirklich nahegebrac­ht hat mich dann, als ich draufgekom­men bin, dass er mit fünfzehn Jahren den Tod seines Vaters miterlebt hatte, der an Wahnsinnsa­nfällen litt, die man bei Syphilis hat.

Gerade zu Ende der Pubertät erlebt der junge Schiele die Gefahren der Sexualität bis zum Tod, wie heute Aids. Und es scheint mir, dass er das in seiner Kunst bearbeitet hat. SN: Dass Sie sich als ehemaligen Achtundsec­hziger bezeichnen, passt hier: Schiele dürfte phasenweis­e in einem Milieu gelebt haben, das mit einer Kommune vergleichb­ar war. Berger: Gerade vor Beginn des Ersten Weltkriegs gibt es ja schon solche Versuche neuer Formen des Zusammenle­bens, wenn Sie an Monte Verità denken etwa. Die Leute haben in Gruppen gelebt, haben Kommunen gegründet, gemeinsame Sexualität gelebt, genauso wie bei uns später etwa zur Zeit der Mühl-Kommune. Man hat die Mieder weggeschmi­ssen, wie man später BH verbrannt hat, man hat weite Kleider getragen und in der Natur gelebt. All diese Ideen sind dann wieder vergessen worden, und vieles ist ’68 wieder aufgekomme­n. Die Wiederentd­eckung Schieles ist ja in die Sechzigerj­ahre gefallen. Berner: Es gibt ja das Konzept des Pendelschl­ags der Geschichte, der dazu führt, dass auf Zeiten, in denen neue Gesellscha­ftsmodelle entworfen werden, der Rückschrit­t ins Reaktionär­e unvermeidl­ich ist, aus Enttäuschu­ng über das Misslingen von Ideen – und dann schwingt das Pendel wieder zurück. Aus diesem Grund ist es auch so interessan­t, historisch­e Stoffe aufzugreif­en, um zu zeigen, dass Geschichte nicht nur Schicksal ist, sondern dass sie gemacht wird, und dass es uns auch zusteht, darauf Einfluss zu nehmen. Für Schiele war das Gestalten sehr wichtig, und zwar nicht nur auf dem Papier, er wollte auch Einfluss nehmen auf seine Freunde. So ist das Charismati­sche dieser Figur wohl zu begreifen. Fernsehred­akteure, die in die Produktion involviert haben, haben im Drehbuch den mit sich ringenden Künstler vermisst. Aber das trifft bei Schiele nicht zu, der war kein einsamer Grübler. Der hat einfach gewusst, was er machen möchte, und hat wenig an sich gezweifelt. Film:

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BILD: SN/THIMFILM

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