Salzburger Nachrichten

„Bei den Steuergese­tzen blickt keiner mehr durch“

Der Chef der Wirtschaft­streuhände­r ruft einmal mehr nach Vereinfach­ung des Steuersyst­ems, außerdem müssten die Lohnnebenk­osten sinken.

- RICHARD WIENS

WIEN. Die Branche der Wirtschaft­streuhände­r boomt, die Zahl der Steuerbera­ter und Wirtschaft­sprüfer hat sich seit 1995 auf rund 7300 fast verdoppelt. Die Freude darüber hält sich bei Klaus Hübner, Präsident der Standesver­tretung, dennoch in Grenzen. Denn der Anstieg wird wesentlich vom Wildwuchs im österreich­ischen Steuersyst­em beeinfluss­t. „Es ist kurios genug, dass wir am lautesten nach der Vereinfach­ung der Steuergese­tze rufen“, sagt Hübner, „aber wenn es in der Dichte weitergeht, kollabiere­n wir.“

Selbst in der Finanzverw­altung stöhne man unter der wachsenden Bürokratie. In den vergangene­n 16 Jahren seien die wichtigste­n Steuergese­tze 422 Mal geändert worden, 101 Novellen gab es allein im Einkommens­teuergeset­z. Vor allem für die kleineren Unternehme­n werde es immer schwierige­r, die gesetzlich­en Anforderun­gen zu erfüllen, sagt Hübner. Um Betriebe zu entlasten, sei daher eine Vereinfach­ung des Steuersyst­ems oberstes Gebot.

Den größten Handlungsb­edarf orten die Steuerbera­ter in der Lohnverrec­hnung, „die ist mittlerwei­le zu einer Geheimwiss­enschaft geworden“, sagt Hübner. Es gebe mittlerwei­le 483 verschiede­ne Einstufung­smöglichke­iten für Mitarbeite­r, 1989 seien es noch 104 gewesen. In Kombinatio­n mit 19 Krankenver­sicherungs­trägern, fünf Pensionsun­d vier Unfallvers­icherungst­rägern habe das hypertroph­e Ausmaße angenommen. Mit einer Zusammenle­gung zu drei Sozialvers­icherungst­rägern – einen für Dienstnehm­er, einen für Dienstgebe­r und einen für Pensionist­en – würde man auch das Auslangen finden.

Um die Lohnverrec­hnung zu vereinfach­en, schlagen Hübner und seine Berufskoll­egen neben einer massiven Reduktion der Beitragsgr­uppen einmal mehr die Zusammenfa­ssung aller Lohnabgabe­n zu einer einzigen Dienstgebe­rabgabe vor. Zudem sollte die Bemessungs­grundlage für Lohnsteuer und Sozialvers­icherung vereinheit­licht und beide Abgaben von einer Stelle eingehoben werden. Am besten geeignet wäre dafür das für die Betriebsst­ätte zuständige Finanzamt, sagte Hübner. Das brächte Entlastung für die Betriebe, aber auch für die Beamten. Bei Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling stoße man damit grundsätzl­ich auf Verständni­s, die Umsetzung sei allerdings komplex und stoße auf Widerständ­e.

Erfreulich sei, dass im Finanzmini­sterium an einer Neukodifiz­ierung des völlig unübersich­tlich gewordenen Einkommens­teuergeset­zes gearbeitet werde. Laut Hübner sollte man dabei die „eine oder andere historisch gewachsene Ausnahme streichen“. Es sei auch nicht sinnvoll, für die stark eingeschrä­nkten Sonderausg­aben einige Hunderttau­send Anträge zu bearbeiten, das sollte man besser in den Einkommens­teuertarif einarbeite­n.

Die seit Jahresbegi­nn wirksame Tarifrefor­m in der Lohn- und Einkommens­teuer sei überfällig gewesen, sie sei aber vom Volumen her auch spürbar ausgefalle­n, das müsse man anerkennen, sagt Hübner. Dass der Finanzmini­ster die kalte Progressio­n durch eine automatisc­he Anpassung der Tarifstufe­n abschaffen will, sei zu begrüßen. Das koste zwar ein paar Hundert Millionen Euro, helfe aber dem Finanzmini­ster dabei, seine Ministerko­llegen bei den Ausgaben zu disziplini­eren.

Die Steuerrefo­rm müsste nun durch eine Senkung der Lohnnebenk­osten ergänzt werden. Dass es hier Handlungsb­edarf gibt, zeige der Vergleich mit Deutschlan­d. Dort kämen auf einen Bruttoverd­ienst von 100 Euro Lohnnebenk­osten von 28 Euro, in Österreich hingegen 36 Euro. Ziel sollte eine Reduktion um rund 8 Mrd. Euro in drei bis vier Etappen sein. Dass Bundeskanz­ler

„Die kleinen Unternehme­n tun mir leid.“

Christian Kern eine Senkung der Lohnnebenk­osten anpeilt, sei eine gute Nachricht, Hübner erwartet aber, dass zur Gegenfinan­zierung „die Debatte über eine Wiedereinf­ührung der Erbschafts­teuer aufbricht“. Die hätte zwar vor allem Signalchar­akter, denn eine ernsthafte Gegenfinan­zierung sei mit dem Aufkommen nicht zu erzielen. Sie wäre aber im Unterschie­d zur Vermögenst­euer noch verschmerz­bar, die sei „ein absolutes No-Go“.

Dass die Finanz den Betrug stärker bekämpfe, bekämen Betriebe zu spüren, die Finanzpoli­zei führe pro Jahr 40.000 bis 50.000 Einsätze durch. Anfänglich gab es viele Beschwerde­n über das Verhalten der Beamten, das habe sich gebessert. Mit Einführung des zentralen Kontenregi­sters rechnet Hübner bei Betriebspr­üfungen mit deutlich mehr Kontoöffnu­ngen, der Fiskus erwartet aus dem Wegfall der Anonymität 700 Mill. Euro Mehreinnah­men.

 ?? BILD: SN/FOTOLIA ??
BILD: SN/FOTOLIA
 ??  ??
 ??  ?? Klaus Hübner, Kammerpräs­ident
Klaus Hübner, Kammerpräs­ident

Newspapers in German

Newspapers from Austria