Ringen auf Russlands Großbaustellen
Österreichs Stahlbau spielt in Russland eine kleine, aber tragende Rolle. Das gefährden jetzt Sanktionen und Ölpreis.
Sprengstoffhunde durchsuchen Lieferanten-Lkws, Besucher werden streng kontrolliert. Ein Lokalaugenschein beim neuen Fußballstadion in Sankt Petersburg zeigt, wie groß die Nervosität auf Europas brisantester Großbaustelle ist. Kein Wunder: Der Eröffnungstermin 2009 ist längst geplatzt, die offiziellen Kosten sind von 6,7 auf 36 Mrd. Rubel (514 Mill. Euro) explodiert, sollen laut Schätzungen aber doppelt so hoch sein.
Seit die Stadt im Juli den Hauptauftragnehmer feuerte, brennt der Hut. Das Stadion mit beweglicher Dachkuppel, ausfahrbarem Rasen und Kapazität für 65.000 Zuseher steht unter Schirmherrschaft von Wladimir Putin. Und es spielt eine Schlüsselrolle bei der Fußball-WM 2018 in Russland. Am 2. Juli 2017 soll hier das Finale des Confederation Cup stattfinden.
Österreichische Unternehmen sind nicht beteiligt. Das ist untypisch, denn gerade heimische Stahlbaubetriebe hatten schon bei etlichen russischen Großprojekten ihre Hände im Spiel. Überhaupt können sie im Ausland ihre Leistungsfähigkeit besser unter Beweis stellen als im Inland, wo man „nicht so stahlfreundlich“ist, wie Thomas Berr, Präsident des Österreichischen Stahlbauverbands ÖSTV, sagt. Andere sprechen weniger diplomatisch von einer „BetonschädelMentalität“ – Beton ist günstiger als Stahl. ÖSTV-Vizepräsident Peter Zeman formuliert es so: „In Österreich bekommt der Billigste den Zuschlag, anderswo manchmal auch der Bestbieter.“Zeman weiß, wovon er spricht: Seine Firma war an mehreren Stadienbauten beteiligt, ebenso am neuen Terminal des Warschauer Flughafens und am Umbau der Wiener Unido-Halle.
Sehr wohl beteiligt ist die Wiener Waagner-Biro Stahlbau AG bei der Errichtung des Lachta-Centers in St. Petersburg. Der mit dem Komplex verbundene Turm wird nach der Fertigstellung 2017 mit 462 Metern das höchste Gebäude Europas sein. Waagner-Biro ist mit einem zweistelligen Millionenbetrag dabei.
Waagner-Biro zeichnet auch verantwortlich für die Treppenelemente und Balustraden im Neubau des renommierten Mariinsky-Theaters in der Petersburger Altstadt, die dem Haus zusammen mit einer Onyxwand schlichte Eleganz verleihen. Die 35 Meter lange ovale Glastreppe lässt Besucher gleichsam zwischen den Stockwerken schweben und bietet das wohl größte Erlebnis außerhalb des Konzertsaals.
Wladimir Pawlow, Unternehmer und Mitglied des Russischen Stahlbauverbands, bescheinigt Österreich bei solchen Großbauten „eine wichtige Rolle: Wir importieren moderne Technologie, die Österreicher erweitern damit ihren Markt.“Doch wegen der Sanktionen und des massiven Verfalls der Ölpreise herrscht gerade Flaute an Großaufträgen. Die Kombination beider Effekte bewirke eine „Stimmung von wehmütigem Patriotismus“auf russischer Seite, sagen Kenner des Landes. Man versuche mit einer trotzigen Wir-schaffen-das-Mentalität über die Runden zu kommen. Nicht ganz freiwillig besinnen sich die Russen jetzt ihrer eigenen Fähigkeiten. „Ohne Sanktionen hätten Ausländer 50 Prozent am Zenit-Stadion gebaut, so haben wir 100 Prozent“, sagt Pawlow. So gesehen seien die Sanktionen sogar nützlich.