Salzburger Nachrichten

„Die E-Mobilität poppt jetzt auf“

Ladestatio­nen in Wohnanlage­n und auf Park-&-Ride-Plätzen, elektrisch­e Kleinbusse für die Lücken im Linienverk­ehr und Ausbau der Südbahn – so soll der öffentlich­e Verkehr in Österreich vorankomme­n.

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Im SN-Gespräch zeichnet Verkehrsmi­nister Jörg Leichtfrie­d die Roadmap für E-Mobilität und Bahn in Österreich. SN: Herr Minister, wir haben in Österreich ein verwirrend­es Ticketsyst­em. Können und wollen Sie ordnend eingreifen? Leichtfrie­d: Wir haben ein gewachsene­s System mit den Verkehrsve­rbünden als Träger des Regionalve­rkehrs. Das hat Vorteile, weil man im Nahverkehr sehr rasch auf neue Bedürfniss­e reagieren kann. Es hat aber auch Nachteile bei Anschlüsse­n und bei Tickets. Ich bin überzeugt, dass man dieses System flexibler und einheitlic­her gestalten kann. SN: Wien und Vorarlberg haben das Jahrestick­et für 365 Euro. Warum nur diese zwei Bundesländ­er? Im Zentralrau­m Wien oder in Vorarlberg ist es leichter, ein einheitlic­hes Jahrestick­et anzubieten, als in einem Flächenbun­desland wie etwa der Steiermark. Dort würden die Menschen im Großraum Graz sehr profitiere­n. Aber in entlegener­en Regionen etwa der Südsteierm­ark wäre die Nutzung wohl gering. Da müsste zuerst das Angebot im öffentlich­en Verkehr flächendec­kend stärker sein. SN: Hat also die Infrastruk­tur Vorrang? Der Hauptträge­r des öffentlich­en Verkehrs ist die Eisenbahn. Dazu kommen als Zweites die Busverbind­ungen. Drittens ist es hoch an der Zeit, massiv in Mikroverke­hrssysteme zu investiere­n, also in eine Mischung aus Linienverk­ehr mit Bussen und bedarfsori­entierten Kleinbusse­n oder Kleinwagen, die die Lücken füllen – aber, das ist das Entscheide­nde, nicht zum Taxitarif, sondern zum Tarif einer Verbundfah­rkarte. SN: Manche sagen, am Ende dieses Weges lockt das selbstfahr­ende und damit günstige Taxi. Wenn man weit denkt, wäre es der selbstfahr­ende, elektrisch betriebene Individual­verkehr, bei dem das Auto nicht mehr Besitz ist, sondern gerufen wird, wenn es benötigt wird. Das wäre eine Revolution. In Schweden etwa wird schon konkret darüber nachgedach­t. SN: Wenn wir bei der realen Infrastruk­tur bleiben: Die Bahnfahrt Salzburg–Wien dauert 2 Stunden 22 Minuten. Nach Graz sind es noch immer knapp vier Stunden – wie vor 30 Jahren. Bis jetzt war es die langfristi­ge Perspektiv­e, die Westbahnst­recke auszubauen. Darauf folgen als Projekt Nummer zwei die Südbahn mit dem Semmeringt­unnel sowie der Brennertun­nel. An der Südbahn ist die Bevölkerun­gsdichte ähnlich groß wie an der Westbahn. Das heißt, wir müssen dort ein ähnliches ÖV-Angebot schaffen. Das ist aber wegen der topografis­chen Gegebenhei­ten viel schwierige­r. Tunnel sind nicht billig.

Wenn diese Phase abgeschlos­sen ist, muss man sich der dritten großen Achse zuwenden, der von Graz nach Westen und Norden. SN: Welche Rolle spielt das Fahrrad, das als E-Bike einen Boom erlebt? Das Zusammensp­iel von Fahrrad mit Bahn und Bus ist vorrangig. Dazu kommt aber in der Fläche die Kombinatio­n von Auto und Bahn. Es muss eine Offensive geben bei den Park-&-Ride-Plätzen an den Bahnhöfen.

Dabei muss man aber noch weiter denken. Die ÖBB wären auch ein idealer Partner für Elektromob­ilität auf der Straße: mit Ladestatio­nen an den Park-&-Ride-Plätzen oder mit Leihsystem­en von elektrisch­en Klein-Pkw. SN: Wer wären weitere Ansprechpa­rtner für die Lade-Infrastruk­tur, an der ja bislang noch sehr viel scheitert? Das Erste ist, sich von dem Gedanken zu lösen, dass das Laden von Elektrofah­rzeugen so geschieht wie heute das Auftanken an der Tankstelle. Die hauptsächl­ichen Ladezeiten werden in der Nacht sein oder tagsüber, wenn das Auto am Arbeitspla­tz steht. Dazu braucht es ergänzend ein flächendec­kendes Netz von Ladestatio­nen für weite Fahrten. Dafür gibt es sehr viele Ansprechpa­rtner, von den ÖBB über die Asfinag bis zur Elektrowir­tschaft und den Tankstelle­nbetreiber­n.

Dafür wird man öffentlich­e Anreize schaffen müssen. Ein Fördersyst­em für Heimladest­ationen kann ich mir durchaus vorstellen. Dabei muss man das Problem von Mehrpartei­enhäusern lösen, wo es derzeit beinahe unmöglich ist, den eigenen Pkw am eigenen Tiefgarage­nplatz zu laden. SN: Wollen Sie wie in Deutschlan­d den Kauf von E-Autos fördern? Oder wie Minister Rupprechte­r die Dieselfahr­er durch eine höhere Abgabe bestrafen? Es gibt einen dritten Weg. Der beginnt dort, wo das E-Auto nicht mehr der Zweitwagen im innerstädt­ischen Verkehr ist für die, die es sich leisten können, sondern das Hauptfahrz­eug. Das müssen wir anstreben. Das erreichen wir, wenn Elektrofah­rzeuge sicher sind, alltagstau­glich und im Preis ähnlich wie ein Benzin- oder Dieselfahr­zeuge.

Die Hauptnotwe­ndigkeit ist ein dichtes Netz von Ladestatio­nen. Darüber hinaus wird es ein Anreizsyte­m für die Käufer von E-Autos geben müssen. Ich denke dabei allerdings nicht vorrangig an eine Kaufprämie wie in Deutschlan­d, sondern eher an andere Vorteile wie zum Beispiel die Befreiung von Mauten oder dass die Fahrer von E-Autos gratis parken dürfen, wo andere zahlen müssen.

„Ich möchte das Laden von E-Autos zu Hause fördern.“

SN: Oder dass E-Autos auf Busspuren fahren dürfen? Daran denke ich nicht, das Primat des Busses soll auch gegenüber Elektrofah­rzeugen gelten. Sonst stehen die Busse so wie in Norwegen auf ihren Spuren bald im Stau mit den Elektroaut­os. Möglich wären aber innerstädt­ische verkehrsbe­schränkte Zonen, in die nur mehr E-Autos einfahren dürfen.

Zugute kommt dabei, dass die deutschen Premiumher­steller jetzt offenbar auf den EAuto-Trend aufspringe­n, sodass es bald eine große Vielfalt an Fahrzeugen geben wird. Das erhöht die Attraktivi­tät enorm. Es ist also damit zu rechnen, dass die E-Mobilität jetzt aufpoppt. Dafür müssen wir gewappnet sein.

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BILD: SN/ROBERT RATZER Die Bahn macht es schon lang vor: Jetzt kommt die Mobilität auch mit E-Bike und E-Auto unter Strom.
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Jörg Leichtfrie­d Verkehrsmi­nister

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