Autonom fahren ist sehr nah
Städte sind Magneten. Wer und was fährt in der Region?
Gössling: Die Städte werden weiterhin Magneten bleiben und vor allem junge Menschen aus dem ländlichen Raum anziehen. Der ländliche Raum wird eher ein Rückzugsraum für Wochenende und Urlaub werden. SN: Wie ist der ÖV dafür aufgestellt? Die Frage fängt bei der individuellen Psychologie der Autofahrer an. Die Motive dafür, im ländlichen Raum mobil zu sein, sind sehr unterschiedlich. Da gibt es die Einwohner. Die wollen einkaufen oder in die Stadt fahren oder sie müssen zum Arzt oder zur Arbeit fahren. Und dann gibt es die Besucher, die aus der Stadt auf das Land hinaus wollen und viel Automobilität verursachen. Die könnten den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) nutzen. Dazu ist es notwendig, dass Bus und Bahn regelmäßig und häufig fahren. SN: Haben wir dafür die geeigneten Mittel oder sind wir zu fantasielos? Ich möchte die Frage mit meiner Vision des ÖPNV in 20 Jahren beantworten. Die automatisierte Mobilität wird unser Transportverhalten fundamental verändern – in Verbindung mit Fahrdienstleistungen wie Uber. In den USA holen solche Dienstleister Fahrgäste innerhalb von drei Minuten zu Hause ab und bringen sie zu einem sehr günstigen Preis an ihr Ziel. Ich könnte mir vorstellen, dass wir in 20 Jahren keine eigenen Autos mehr haben, sondern nur auf den Knopf drücken und uns abholen lassen. SN: Die selbstfahrenden Autos dafür wird es technisch ausgereift geben?
„Mobilität könnte zum gemeinsamen Erlebnis werden.“
Wie lang das noch dauert, ist nur eine Frage der Nachfrage. Das sehen wir in den Städten in den USA. Aber Vorläufer gibt es sogar schon in Österreich, etwa der individualisierte Fahrdienst in Werfenweng. SN: Sehen Sie die Zukunft im automatisierten Bus oder Pkw? Es wird am Ende der Pkw sein, weil er den individualisierten Anforderungen an Mobilität entspricht. Dadurch, dass keine Personalkosten anfallen, wird es möglich sein, den Transport mit selbstfahrenden Autos oder Kleinbussen sehr günstig anzubieten. Es wird ein Taxiservice ohne Fahrer, ohne lange Wartezeiten und zum günstigen Preis sein.
Es könnte sogar sein, dass mit dieser individualisierten Mobilität auch neue Formen der Gemeinschaft geschätzt würden. In den USA ist das als „Uber-Pool“bekannt. Zum Beispiel können drei Leute, die an unterschiedlichen Punkten derselben Avenue stehen, dasselbe Auto ordern und gemeinsam in die gleiche Richtung fahren. Sie teilen das Fahrzeug und zahlen nur mehr die Hälfte. Ja, zunächst wohl über das Argument des Preises. Vielleicht aber auch durch die Idee, dass es nett wäre, sich auf der Fahrt mit zwei, drei anderen Passagieren zu unterhalten.
Im Moment ist das Auto ein Rückzugsort. Es ist neben dem Zuhause und der Arbeit der dritte Ort, wo ich allein bin, wo ich mein Reich habe, wo ich bestimme, wie schnell gefahren wird oder welche Musik gespielt wird.
Das ist weit entfernt von der Idee, von der ich spreche, dass eine Autofahrt wieder zum Gemeinschaftserlebnis werden könnte. Aber über soziale Medien könnte das genauso gut funktionieren wie das Couchsurfing, das Übernachten bei Leuten, die man noch nie vorher getroffen hat. Es gibt bereits Apps, die mir zeigen, wo sich der andere im Moment befindet. Von solchen neuen Formen der Interkonnektivität ist es nicht weit zu dem Gedanken, dass man sich zu einer Autofahrt an dieselben oder nahe Ziele zusammenfindet.
Ist es realistisch zu glauben, dass in 20 Jahren selbstfahrende Autos überall fahren können? Ich war da sehr skeptisch. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass da sehr finanzkräftige globale Player dahinterstehen. Es ist ein ungeheurer Markt, wenn man das bis in die Städte durchdenkt, dass die Leute keine eigenen Autos mehr besitzen, sondern für alle notwendigen Fahrten individualisierte Fahrdienstleistungen in Anspruch nehmen.
In Singapur soll es im zentralen BusinessDistrikt bereits 2017 eine automatisierte Pkw-Flotte geben. Die Marktentwicklung wird also sehr schnell folgen, wenn die Technik perfektioniert sein wird. SN: Werden diese selbstfahrenden Taxis elektrisch angetrieben sein? Das geht recht deutlich in diese Richtung. Die Lithium-Ionen-Batterien haben schon jetzt eine Reichweite von mehr als 400 Kilometern. Die Ladezeiten liegen bei Super-Chargern schon bei nur 40 Minuten, um auf 80 Prozent der Batterieladung zu kommen.