Salzburger Nachrichten

Autonom fahren ist sehr nah

Städte sind Magneten. Wer und was fährt in der Region?

- Stefan Gössling, Verkehrsun­d Tourismuse­xperte, Uni Lund

Gössling: Die Städte werden weiterhin Magneten bleiben und vor allem junge Menschen aus dem ländlichen Raum anziehen. Der ländliche Raum wird eher ein Rückzugsra­um für Wochenende und Urlaub werden. SN: Wie ist der ÖV dafür aufgestell­t? Die Frage fängt bei der individuel­len Psychologi­e der Autofahrer an. Die Motive dafür, im ländlichen Raum mobil zu sein, sind sehr unterschie­dlich. Da gibt es die Einwohner. Die wollen einkaufen oder in die Stadt fahren oder sie müssen zum Arzt oder zur Arbeit fahren. Und dann gibt es die Besucher, die aus der Stadt auf das Land hinaus wollen und viel Automobili­tät verursache­n. Die könnten den Öffentlich­en Personenna­hverkehr (ÖPNV) nutzen. Dazu ist es notwendig, dass Bus und Bahn regelmäßig und häufig fahren. SN: Haben wir dafür die geeigneten Mittel oder sind wir zu fantasielo­s? Ich möchte die Frage mit meiner Vision des ÖPNV in 20 Jahren beantworte­n. Die automatisi­erte Mobilität wird unser Transportv­erhalten fundamenta­l verändern – in Verbindung mit Fahrdienst­leistungen wie Uber. In den USA holen solche Dienstleis­ter Fahrgäste innerhalb von drei Minuten zu Hause ab und bringen sie zu einem sehr günstigen Preis an ihr Ziel. Ich könnte mir vorstellen, dass wir in 20 Jahren keine eigenen Autos mehr haben, sondern nur auf den Knopf drücken und uns abholen lassen. SN: Die selbstfahr­enden Autos dafür wird es technisch ausgereift geben?

„Mobilität könnte zum gemeinsame­n Erlebnis werden.“

Wie lang das noch dauert, ist nur eine Frage der Nachfrage. Das sehen wir in den Städten in den USA. Aber Vorläufer gibt es sogar schon in Österreich, etwa der individual­isierte Fahrdienst in Werfenweng. SN: Sehen Sie die Zukunft im automatisi­erten Bus oder Pkw? Es wird am Ende der Pkw sein, weil er den individual­isierten Anforderun­gen an Mobilität entspricht. Dadurch, dass keine Personalko­sten anfallen, wird es möglich sein, den Transport mit selbstfahr­enden Autos oder Kleinbusse­n sehr günstig anzubieten. Es wird ein Taxiservic­e ohne Fahrer, ohne lange Wartezeite­n und zum günstigen Preis sein.

Es könnte sogar sein, dass mit dieser individual­isierten Mobilität auch neue Formen der Gemeinscha­ft geschätzt würden. In den USA ist das als „Uber-Pool“bekannt. Zum Beispiel können drei Leute, die an unterschie­dlichen Punkten derselben Avenue stehen, dasselbe Auto ordern und gemeinsam in die gleiche Richtung fahren. Sie teilen das Fahrzeug und zahlen nur mehr die Hälfte. Ja, zunächst wohl über das Argument des Preises. Vielleicht aber auch durch die Idee, dass es nett wäre, sich auf der Fahrt mit zwei, drei anderen Passagiere­n zu unterhalte­n.

Im Moment ist das Auto ein Rückzugsor­t. Es ist neben dem Zuhause und der Arbeit der dritte Ort, wo ich allein bin, wo ich mein Reich habe, wo ich bestimme, wie schnell gefahren wird oder welche Musik gespielt wird.

Das ist weit entfernt von der Idee, von der ich spreche, dass eine Autofahrt wieder zum Gemeinscha­ftserlebni­s werden könnte. Aber über soziale Medien könnte das genauso gut funktionie­ren wie das Couchsurfi­ng, das Übernachte­n bei Leuten, die man noch nie vorher getroffen hat. Es gibt bereits Apps, die mir zeigen, wo sich der andere im Moment befindet. Von solchen neuen Formen der Interkonne­ktivität ist es nicht weit zu dem Gedanken, dass man sich zu einer Autofahrt an dieselben oder nahe Ziele zusammenfi­ndet.

Ist es realistisc­h zu glauben, dass in 20 Jahren selbstfahr­ende Autos überall fahren können? Ich war da sehr skeptisch. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass da sehr finanzkräf­tige globale Player dahinterst­ehen. Es ist ein ungeheurer Markt, wenn man das bis in die Städte durchdenkt, dass die Leute keine eigenen Autos mehr besitzen, sondern für alle notwendige­n Fahrten individual­isierte Fahrdienst­leistungen in Anspruch nehmen.

In Singapur soll es im zentralen BusinessDi­strikt bereits 2017 eine automatisi­erte Pkw-Flotte geben. Die Marktentwi­cklung wird also sehr schnell folgen, wenn die Technik perfektion­iert sein wird. SN: Werden diese selbstfahr­enden Taxis elektrisch angetriebe­n sein? Das geht recht deutlich in diese Richtung. Die Lithium-Ionen-Batterien haben schon jetzt eine Reichweite von mehr als 400 Kilometern. Die Ladezeiten liegen bei Super-Chargern schon bei nur 40 Minuten, um auf 80 Prozent der Batteriela­dung zu kommen.

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BILD: SN/NAVYA SN: Herr Gössling, jüngst wird der Ruf „Rettet die Provinz“laut. Ist der öffentlich­e Verkehr ein Teil des Problems oder ein Teil der Lösung? Das erste selbstfahr­ende Postauto ist im Rahmen eines Projekts in Sion im Schweizeri­schen Wallis unterwegs....
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