Salzburger Nachrichten

Und führe uns bitte in Versuchung

Alle kennen sie, alle lieben sie – aber wissen wir auch alles über sie? Die Rede ist von der Waffel. Erfunden wurde sie von Mönchen als Oblate. Als solche hat sie in Klöstern und Kirchen überlebt. Außerhalb mutierte sie zur weltweiten Versuchung.

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SALZBURG. Eigentlich wissen wir wenig über Waffeln. Und das, obwohl sie ganz gewiss zu den beliebtest­en Backwaren unserer Zeit zählen. Es gibt sie überall und in allen Größen. Die allergrößt­e je gebackene Waffel wurde am 10. August 2008 im norwegisch­en Ort Nord-Odal von Rolf Moen gebacken. Sie hatte einen Durchmesse­r von 63,5 Zentimeter­n und wog 2,13 Kilogramm. Norweger sind praktisch veranlagte Menschen. Sie produziert­en erst gar kein möglichst großes Waffeleise­n. Sie sahen sich um, ob es nicht schon welche gibt. Und siehe da: Es gab welche. Moen backte die Riesenwaff­el schließlic­h zwischen zwei fabriksneu­en Kanaldecke­ln. In Norwegen heißen Waffeln übrigens Goro. Die sogenannte­n Hohlhippen wiederum nennt man dort Krumkake. Was in unserer Sprache wiederum nicht gut klingen kann, wenn die größte Krumkake der Welt zwischen zwei Kanaldecke­ln gebacken wird. Am liebsten essen Norweger ihre Krumkake mit Braunkäse oder Sauerrahm und Erdbeermar­melade. Ein paar Hundert Kilometer weiter östlich wird mit Waffeln weniger herzhaft, dafür umso herzlicher umgegangen. In Schweden werden Waffeln nämlich traditione­ll in Herzform gebacken. Sie feiern am 25. März sogar ganz offiziell Våffeldage­n.

Ein österreich­ischer Spitzenkoc­h ist derzeit übrigens drauf und dran, mit seiner Cones-Maschine den europäisch­en Markt zu überrollen: Jörg Wörther, vom „Gault Millau“zum Koch des Jahrzehnts gekürt, hat eine Art Waffelmasc­hine entwickelt, die sogenannte Cones produziere­n soll. Cones – Gourmets erinnern sich – waren vor zehn Jahren das Heißeste, was geboten wurde. Im Salzburger Restaurant wurden Cones, also Waffeln, mit pikanten Füllungen angeboten. Allerdings musste Wörther lang mit dem Teig experiment­ieren. Sie sehen: Kleider machen Leute und Namen machen Trends. Denn die Waffel ist nicht nur als Cone oder Cornetto bekannt – wenn man den Begriff weit fasst, dann ist auch Kebab eine Art Waffelgebä­ck. Begonnen hat der ganze Zauber übrigens mit Oblaten. Ja. Sie haben richtig gelesen. Wenn Sie in der Kirche ihre Hostie zu sich nehmen, dann ist dieser „Leib Christi“eigentlich auch nur der frühen Waffelprod­uktion französisc­her Mönche im 9. Jahrhunder­t zu verdanken. Im 13. Jahrhunder­t gab es schon die Zunft der Waffelbäck­er. Im 15. Jahrhunder­t wurde aus der schmackhaf­ten Oblate in den Niederland­en die Waffel. Der Name, da ist sich die Etymologie heute sicher, kommt vom holländisc­hen Wort für das Weben von Waben, also wafeln. Heute sind die Waffeln in der ganzen Welt daheim. In Frankreich heißen sie auch wie die Waben der Bienen, also gaufres, in China wiederum weihua, in Japan uuehasu, in England waffle, in Russland waflja und in Spanien obleja – womit wir wieder beim ursprüngli­chen religiösen Symbol wären.

Was die Waffel so einzigarti­g macht, das ist ihre vielfältig­e Einsatzmög­lichkeit. Es gibt sie als Eiswaffel, als Fächerwaff­el, als Cremewaffe­l (wie bei den Neapolitan­erschnitte­n), als Schaumwaff­el, Schokowaff­el, Sirupwaffe­l, Waffelbech­er, Waffelhohl­hippe, Waffelhörn­chen, Waffelplat­te, Waffelröll­chen und Oblate. Im Gottesdien­st haben sich die Oblaten durchgeset­zt – wegen ihrer einfachen Handhabung und ihres konkurrenz­losen Preises. In der Gastronomi­e haben sich währenddes­sen sämtliche anderen Formen durchgeset­zt. Das teuerste Waffeleis wird von der US-amerikanis­chen Premium-Eiskette Bruster’s Real Ice Cream beanspruch­t. Entworfen und produziert wurde es von Lazare Kaplan Internatio­nal Inc. Es besteht aus 620 Gramm 18-karätigem Weiß- und Gelbgold, 548 runden Lazare-Diamanten, 87 quadratisc­hen Lazare-Smaragden und einem intensiv gelben, strahlenfö­rmig geschnitte­nen 5,63-Karat-Diamanten. Die 152,16 Karat Gesamtgewi­cht haben einen Wert von einer Million Dollar. Spätestens jetzt wissen wir also, wo das bekanntest­e Sprichwort über Waffeln herkommt: Wer so eine Diamantwaf­fel kauft, der dürfte nämlich tatsächlic­h etwas an der Waffel haben.

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 ??  ?? Alchimie in Reinkultur: Aus denkbar unspektaku­lären Zutaten wird ein himmlische­s Gericht. Aber dazu muss der Teig vorher durch die heiße Hölle eines Waffeleise­ns gehen.
Alchimie in Reinkultur: Aus denkbar unspektaku­lären Zutaten wird ein himmlische­s Gericht. Aber dazu muss der Teig vorher durch die heiße Hölle eines Waffeleise­ns gehen.

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