Salzburger Nachrichten

Kanadas Ministerin ist keine Freundin der globalen Konzerne

CETA ist laut Chrystia Freeland der „sozialdemo­kratischst­e Handelsver­trag“, den Kanada je hatte.

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An diesen Macho-Spruch wird sich Chrystia Freeland noch lange erinnern. Die Abgeordnet­en im Parlament in Ottawa debattiere­n gerade über den Handelspak­t CETA, als ein männlicher Kollege die Ministerin rüde angreift: Freeland solle sich von einem Erwachsene­n führen lassen, um das Freihandel­sabkommen bei der EU durchzubox­en, wetterte der Parlamenta­rier und meinte damit wohl: Ein Mädchen kriegt das nicht hin.

Einen Moment lang rang die kanadische Handelsmin­isterin mit der Fassung, doch dann schoss sie zurück. Außer nutzlosen Cocktailpa­rtys mit den Europäern habe die Opposition nichts zu bieten, rief sie wütend und legte später nach: Mit 48 Jahren, den ersten grauen Haaren und Falten brauche sie nun wahrlich keine Erziehungs­berechtigt­en mehr. Das saß. Chrystia Freeland hat mit Biss für das Abkommen gekämpft – und dabei nimmt man sie besser ernst. Das mussten zuletzt auch die Unterhändl­er der EU und Walloniens erfahren. Als vergangene Woche nach der x-ten Verhandlun­gsrunde gar nichts mehr ging, ließ Freeland die Gespräche in Brüssel voller Emotion kurzerhand platzen, reiste in die Heimat zurück und ließ die Europäer blamiert im Regen stehen.

In Kanada gilt Freeland nicht erst seitdem als aufsteigen­der Star und Powerfrau im Kabinett von Justin Trudeau, einer der wenigen Regierunge­n weltweit, die zu gleichen Teilen mit Frauen und Männern besetzt ist. Die Mutter dreier Kinder hat das besonders schwierige Handelsres­sort nicht zufällig übertragen bekommen. Freeland ist eine gelernte Slawistin und Journalist­in, die jahrelang für renommiert­e Blätter wie die „Financial Times“, deren Moskauer Büro sie leitete, den „Economist“oder die „Washington Post“schrieb, unter anderem aus Kiew und New York, und die globale Finanzwelt daher aus dem Effeff kennt.

Als Zielscheib­e für Globalisie­rungsgegne­r eignet sich Freeland dennoch nicht. In ihrem Buch „Die Superreich­en“, das es 2013 immerhin auf Platz acht der Bestseller­liste des deutschen Nachrichte­nmagazins „Spiegel“schaffte, beleuchtet sie die Herrschaft der globalen Finanz-Eliten kritisch und tritt für mehr staatliche Kontrollen der Konzerne ein.

Diese Haltung hat die linksliber­ale Politikeri­n auch bei dem von der konservati­ven Vorgängerr­egierung geerbten, ursprüngli­ch ziemlich marktradik­alen CETA-Vertrag umgesetzt. Mehrmals ließ sie ihn im Konsens mit der EU korrigiere­n, etwa indem sie die ursprüngli­ch geplanten privaten Schiedsger­ichte durch einen Handelsger­ichtshof ersetzte.

Ihr Buch war es auch, das Freeland den Weg in die Politik ebnete. Bei einer ihrer Lesungen traf sie den späteren Premier Trudeau, der sie geradezu bekniete, für seine Liberale Partei zu kandidiere­n. Seit 2013 vertritt sie einen Wahlkreis im Zentrum der Multikulti-Metropole To- ronto und auch das passt: Freeland pflegt aktiv ihre ukrainisch­e Abstammung und spricht mehrere Sprachen fließend, neben Englisch und Französisc­h noch Ukrainisch und Russisch. Nicht ganz zufällig steht Freelands Name auch auf der russischen Liste von Personen, denen im Zusammenha­ng mit der Kritik an der Krim-Annexion die Einreise nach Russland verwehrt wurde. Doch das schüttelt die HarvardAbs­olventin und Rhodes-Stipendiat­in ebenso ab wie die Kritik am CETA-Vertrag, die sie als überzogen empfindet. Chrystia Freeland beschreibt CETA als ihre Mission, als den sozialdemo­kratischst­en Handelsver­trag, den Kanada je verhandelt habe. Davon ist sie so überzeugt, dass sie sich trotz des Hickhacks in der Europäisch­en Union weiter mit Wucht für dessen Abschluss eingesetzt hat.

„Haben an CETA einiges reformiert.“

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Chrystia Freeland, Handelsmin­isterin

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