Salzburger Nachrichten

Im Kopf des Kindes kommt der Krieg nicht vor

In seinem Roman „Suchbild mit Katze“erzählt Peter Henisch von Kindheit und Nachkriegs­zeit.

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Als Peter Henisch vor gut vierzig Jahren mit seinem Roman „Die kleine Figur meines Vaters“drauf und dran war, sich im Literaturb­etrieb fulminant durchzuset­zen, war er ein exzentrisc­her Jungspund. Das Buch fiel in eine Zeit, da Österreich von politische­r Aufarbeitu­ng der NS-Vergangenh­eit nicht viel hielt. Jetzt war einer da, der es genau wissen wollte, zumal ihm seine eigene Familienge­schichte höchst merkwürdig erschien. Sein Vater arbeitete, seine jüdische Herkunft verleugnen­d, in den Nazijahren als Kriegsfoto­graf. Am Krankenbet­t nahm sein Sohn die gemeinsame­n Gespräche auf Band auf, um daraus ein Buch zu destillier­en, das hinter der Biografie des Älteren die Identität des Jüngeren durchschei­nen ließ. Als politische­r Mensch ist Henisch kein Unerbittli­cher, so ist auch das Vaterbuch auf Versöhnung gestimmt.

Jahrzehnte sind ins Land gezogen, Pepi Prohaska und Jim Morrison, Karl May und E. T. A. Hoffmann haben ihn beschäftig­t und wie sie gegen all die Zumutungen einer auf Unterwerfu­ng drängenden Gesellscha­ft ihr Ich zu retten suchten.

Jetzt ist Henisch wieder in der eigenen Familie und damit bei sich angekommen. Diesmal ist er selbst wie sein Vater damals der Geschwächt­e: „Die Operations­narben sind noch recht empfindlic­h.“Und wieder stellt sich sein Vater bei ihm ein, diesmal als flinker Fotograf in der Nachkriegs­zeit, der die Zeitungen mit seinen Arbeiten bediente.

Der Erzähler versetzt sich in die Figur des kleinen Peter, den wir als aufgeweckt­en Knaben kennenlern­en. Etwas altklug wirkt er, sich den Erwachsene­n anbiedernd. Das ist der Erziehung zuzuschrei­ben, die ihn fernhält von den Kindern auf der Straße. Seine Familie ist etwas Besseres, das wird Peter schon deutlich gemacht. Immerhin kommt sein Vater dank seiner journalist­ischen Tätigkeit in die Nähe der Großen aus Politik und Kultur. Das Kind ist in einem Einsamkeit­szauber gefangen, deshalb muss so oft die Katze als Ansprechpa­rtner herhalten.

Bei aller Abgeschott­etheit wirkt diese Kindheit recht glücklich. Das entspricht einem Motiv der früheren Bücher Henischs. Seine Figuren sind selten im Reinen mit ihrer Umwelt, aber sie verfügen über einen festen Kern.

Henisch schreibt aus der IchPerspek­tive des Buben mit dem Bewusstsei­n des Heutigen, der um die Zweifelhaf­tigkeit der Erinnerung weiß. Er hält sich in der Beschreibu­ng von Begebenhei­ten und Erlebnisse­n auf. Den Wissenshor­izont des Kindes überschrei­tet er selten. Gedanken über die Nachkriegs­zeit macht sich allenfalls der Erwachsene, der sich selbst gern ins Spiel bringt. Der Bub jedoch erlebt die Nachkriegs­zeit friedlich. Wenn Schatten aufziehen, dann wenn es Krach im Hause Henisch gibt. Das ist ein Buch aus dem Inneren des Privaten, das über das Politische in Andeutunge­n spricht. Alle gehen zur Kommunion, Peter nicht. Der nimmt das als Gleichgült­igkeit seiner Eltern. Dass das mit dem jüdischen Überlebens­künstler Henisch senior zusammenhä­ngen könnte, kommt ihm nicht in den Sinn. Überhaupt bleibt der Krieg das große Verschwieg­enheitsrät­sel, das dieser Erzähler gar nicht erhellen will. Im Kopf des Kindes kam er gar nicht vor. Als Roman will das Buch mehr als eine Autobiogra­fie. Es erzählt vom Hinwegmoge­ln über katastroph­ale Vergangenh­eit und das Einrichten in einer verlogenen Gegenwart und weist damit über ein Einzellebe­n hinaus. Eine sehr sanfte, verhaltene Kritik am österreich­ischen Einigeln.

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Buch: Peter Henisch: Suchbild mit Katze. Roman. 204 S. Deuticke 2016.

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