Salzburger Nachrichten

Der Bildhauer, der Pinsel hieß Winterpala­is, Museum mit Ablaufdatu­m

Man weiß fast gar nichts vom Schöpfer dramatisch­er Skulpturen, der rund ein Jahrzehnt lang im Raum Lemberg wirkte.

- ERNST P. STROBL Ausstellun­g: „Himmlisch!“Der Barockbild­hauer Johann Georg Pinsel. Winterpala­is, Himmelpfor­tgasse. Bis 12. Februar 2017.

WIEN. Wer war der Mann, von dem man vor wenigen Jahren überhaupt erst die Vornamen herausfand? Dokumentie­rt ist nur, dass dieser Johann Georg Pinsel um 1751 in Lemberg eine Witwe heiratete. Nachdem Frau Pinsel um 1762 erneut eine Ehe einging, nimmt man an, war sie wiederum Witwe. Das Todesdatum des Bildhauers ist ebenso wenig bekannt wie die Herkunft, die man im süddeutsch­en Raum annimmt. In den rund zehn Jahren seines Wirkens zwischen 1750 und 1760 wurde Pinsel, den es in das damals ungeteilte Königreich Polen verschlug und der im Raum Lemberg Skulpturen aus Holz und Stein schuf, zu einem einzigarti­gen Künstler. Nun kann man seinen versammelt­en Statuen direkt ins Gesicht sehen und staunen über die expressive Formenspra­che Pinsels, die in ausdruckss­tarken Gesichtern und auch den flatternde­n Kleidungss­tücken einen eigenen Stil eroberte. Hierzuland­e wurden die Kirchen zur gleichen Zeit ausgestatt­et mit Heiligen, die meist sanft und entrückt ihren Gottesdien­st ausübten, von Märtyrern abgesehen. Aber Johann Georg Pinsel schnitzte den Schmerz, die Kampfeslus­t, die Kraft des Löwenbezwi­ngers Samson, die Tränen der Muttergott­es in die Gesichter und in die Körperhalt­ung mit einer gewissen Rohheit, und wenn Abraham zum tödlichen Schlag ausholt, um seinen Sohn Isaak zu opfern, kann einem bange werden. 21 Objekte sind nun im Winterpala­is des Prinzen Eugen zu sehen, sie stammen aus Lemberg, das heute in der Westukrain­e liegt, was den Leihverkeh­r nicht vereinfach­te. Dort ist Pinsel mittlerwei­le ein anerkannte­r Star der Kunstgesch­ichte des Landes, obwohl in Zeiten sowjetisch­er Herrschaft noch vieles vernichtet wurde. So entdeckte der Direktor der Nationalga­lerie in Lemberg eine hl. Anna, die Pinsel für die römisch-katholisch­e Pfarrkirch­e in Monasterzy­ska geschnitzt hatte, auf dem örtlichen Friedhof, bis zur Hälfte eingegrabe­n auf einem frischen Grab. Was für eine expressive Statue, deren Wirkung das heute sichtbare Holz steigert, denn ehemals war sie weiß gefasst. Die meisten der Figuren sind reich vergoldet, bei anderen sieht man Reste von weißer Farbe. Aber auch aus purem Holz überwältig­t einen ein Engel mit ausgebreit­eten Flügeln im ersten Raum geradezu. Selbst ein kleines Relief von Pinsel wirkt theatralis­ch. Im Belvedere suchte man nach „verwandten“Künstlern und fand sie in Franz Anton Maulbertsc­h oder Paul Troger, deren Gemälde den „Skulpturen­park“ergänzen.

Apropos Winterpala­is: Man weiß ja, dass sich der Finanzmini­ster das Prachtgebä­ude wieder in sein „Reich“einverleib­en will. Wer noch nicht da war: hingehen. Agnes Husslein hat die Ausstellun­gen für 2017 fixiert. Als Nächstes kommt die Mode-Ausstellun­g „The Vulgar“aus London, danach eine Schau über den polnischen König Sobieski. Nicht realisiert wird hingegen eine Ausstellun­g zu Damien Hirst. „Auch die war geplant, es gibt aber keinen schriftlic­hen Vertrag dazu“, schildert Agnes Husslein, die am 16. Jänner ihr Amt abgibt.

 ?? BILD: SN/BELVEDERE ?? Ein Samson des unbekannte­n Barockbild­hauers Johann Georg Pinsel, ca. 1758 (Detail).
BILD: SN/BELVEDERE Ein Samson des unbekannte­n Barockbild­hauers Johann Georg Pinsel, ca. 1758 (Detail).

Newspapers in German

Newspapers from Austria