Der Supermarkt sieht sich als neuer Wirt
Während das klassische Wirtshaus vielerorts ums Überleben kämpft, versucht sich der Handel immer öfter als Gastronom. Ob Bistro, Restaurant oder Take-away: Die Umsätze in dem Bereich steigen rasant. Und es lockt nicht nur das Geld.
SALZBURG. Wer bei Interspar nur an Einkaufen denkt, liegt falsch. „Hinter McDonald’s sind wir heute der zweitgrößte Gastronomiebetrieb des Landes“, sagt Interspar-Geschäftsführer Markus Kaser. 52 Restaurants in österreichweit 72 Interspar-Märkten, dazu sechs Maximarkt-Restaurants und 16 Kaffeehaus-Filialen der eigenen Kette „Cappuccino“in Einkaufszentren, 1200 Gastronomie-Mitarbeiter und 35.000 Gäste täglich bringen der Spar-Tochter einen Umsatz von mehr als 70 Mill. Euro im Jahr. Bei einem Gesamtumsatz von Interspar von 1,55 Mrd. Euro bisher zwar ein überschaubarer Anteil. Die Zuwächse aber sind groß. Und mit neuen Ideen will man den Trend noch verstärken.
Erst im September sperrte in Wien-Floridsdorf der erste „Interspar take away“auf. Auf 130 Quadratmetern bietet der Bereich vor dem eigentlichen Interspar-Markt nicht nur Coffee to go, Brötchen, fertig geschnittenes Obst und Jause aller Art, sondern auch Menüs des angeschlossenen Interspar-Restaurants fertig zum Mitnehmen. Ob Gemüsepfanne mit Lachs oder Sizilianische Minestrone: Ab 6 Uhr morgens kann man sich das Mittagsmenü ins Büro mitnehmen und dort in der Mikrowelle aufwärmen. Und das – weil „Interspar take away“als Gastronomiebetrieb gilt und damit nicht den Handelsöffnungszeiten unterliegt – auch am Sonntag, betont Kaser. Ein Konzept, das auch an anderen Standorten umgesetzt werden soll, kündigt der Interspar-Chef an.
Spar ist nicht der einzige Handelskonzern, der sein Gastronomieangebot ausweitet. Ob Ikea, Merkur, Lutz oder MPreis, für viele Händler ist die Gastronomie zum wichtigen Faktor geworden: Um mit Kampfpreisen Kunden in die Geschäfte zu locken, wie etwa der Möbelhandel. Um sich von Konkurrenten abzuheben oder um in Zeiten zunehmender Online-Konkurrenz an Attraktivität zu gewinnen, indem man Einkaufen als Freizeiterlebnis definiert.
„Dahinter stehen auch gesellschaftliche Veränderungen“, meint Handelsforscher Wolfgang Richter von RegioData. Kleinere Haushalte und die steigende Zahl der Berufstätigen, die nicht mehr jeden Tag selbst kochen wollen, ließen den „Außer-Haus-Konsum“in Österreich steigen. Der Handel profitiere davon besonders stark, meint Richter.
Zwei Milliarden Euro werden heute laut RegioData bereits in der sogenannten Systemgastronomie (mit jeweils mehreren Filialen) umgesetzt. Hinter dem klaren Marktführer McDonald’s mit über einem Drittel Marktanteil folgten mit Merkur, Interspar und Lutz gleich drei Restaurantanbieter aus dem Handelsbereich, sagt Richter. Mit Zuwachsraten von zehn Prozent im Jahr wachse die Systemgastronomie zuletzt drei Mal schneller als die restliche, nicht filialisierte Gastronomie. Österreichweit erreiche sie damit bereits einen Marktanteil von zusammen mehr als 16 Prozent.
Für den Handel werde die Gastronomie-Kompetenz immer wichtiger, glaubt auch Interspar-Chef Kaser. Sei der Bereich für Interspar früher „eine Art Anhängsel“gewesen, so gelte er heute als eine der drei Kernkompetenzen. „Wir wollen Händler, Gastronom und Bäcker sein und in allen Bereichen zu den Besten zählen“, betont Kaser. Acht eigene Bäckereien betreibe Interspar heute. Auch in der Gastronomie wolle man sich dadurch abheben, dass man selbst und frisch koche und keine Tiefkühlkost biete. „Gerade vom Diskont, der ja immer mehr zum Supermarkt wird, können wir uns in diesen Bereichen unterscheiden.“
Angenommen worden sei auch das jüngste „take away“-Konzept in Wien „extrem gut“, sagt Kaser. Konkurrenzfähig gegenüber der her- kömmlichen Gastronomie mache einen dabei der Preis. Zwischen 4,90 und 7,90 Euro kosten die Menüs bei Interspar. „Unser Vorteil sind die großen Mengen beim Einkauf.“
Gerade der Lebensmittelhandel könne hier mehrere Punkte für sich nutzen, betont auch Richter. Zum einen sei man ohnehin Profi, was den Einkauf von Lebensmitteln betreffe. Zum anderen könne man in der eigenen Gastronomie auch vorhandene Lebensmittel gut verwerten. „Salopp gesagt kann man die Dinge verkochen, bevor sie ablaufen.“
Gegenüber der reinen Systemgastronomie wie Burger King oder Starbucks habe der Handel zudem den Vorteil, dass man die Kundenfrequenz nicht völlig neu erzeugen muss, sondern bereits über eine hohe Frequenz verfüge, meint Richter. Freilich, ein Selbstläufer sei die Gastronomie auch für den Handel nicht, schränkt der Handelsforscher ein. „Nur das richtige Konzept am richtigen Standort kann funktionieren.“
„Wir sind auch Bäcker und Gastronom.“Markus Kaser, Interspar-Chef