Unvergessen, aber online gelöscht
Wenn ein Mensch real stirbt, bleiben seine Onlinekonten aktiv. Findige Anbieter machen sich die Nische mit Spezialprodukten zunutze.
WIEN. Die Digitalisierung umfasst längst alle Lebensbereiche. 5,5 Millionen oder rund zwei Drittel der acht Millionen Österreicher nutzen das Internet und hinterlassen auch Spuren darin, in Form von E-Mails, Onlinebestellungen, Verträgen oder in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Xing.
Zu Lebzeiten ist diese digitale Präsenz praktisch und sinnvoll, aber nach dem Ableben einer Person können solche Spuren im Internet zu einer echten Bürde werden. Weiterlaufende Abonnements können über den Tod hinaus Kosten verursachen, andererseits können auf Onlinekonten auch Guthaben ungenutzt herumliegen. Eine neue Dienstleistung verspricht hier Abhilfe. Der „Digitale Nachlass Service“übernimmt im Fall des Ablebens sämtliche Abmeldungen – von realen Organisationen wie Energieanbietern oder Versicherungen bis zu digitalen Konten und Verträgen.
Die technische Abwicklung erfolgt über die deutsche Spezialfirma Columba Online Identity Management GmbH. Sie ermittelt im Auftrag von Angehörigen digitale Spuren im Internet – aktuell bei den 150 wichtigsten Anbietern – und sorgt auf Wunsch für deren Beseitigung, das Aufkündigen von Verträgen bzw. das Sicherstellen möglicher Guthaben. Die eigentliche Leistung besteht im Ausforschen der Online-Aktivitäten und Konten. Denn „die wenigsten Personen haben eine genaue Dokumentation über all ihre Konten und Passwörter im Internet“, sagt Robert Lasshofer, Generaldirektor der Wiener Städtischen Versicherung, die mit diversen Bestattungsunternehmen Vertriebspartner des neuen Produkts ist.
Auf einem individuellen Onlineportal können sich Angehörige über den Stand der Recherchen informieren und entscheiden, welche Aktivitäten sie löschen oder auf einen anderen Namen überschreiben wollen. Das Portal liefert eine Übersicht über Außenstände und Guthaben. Erste Erfahrungen mit solchen „Online-Schutzpaketen“aus Deutschland zeigen, dass pro Todesfall im Durchschnitt 16 Abmeldungen vorgenommen werden, davon entfällt knapp die Hälfte auf den „digitalen Nachlass“und etwa genauso viel auf reale Konten wie Versicherungen, Zeitungsabos oder Konten in sozialen Netzwerken. Interessierte können den Service direkt beim Bestatter beantragen oder als Zusatz zu einer bestehenden Begräbniskostenversicherung – mit einer durchschnittlichen Höhe von bis zu 5000 Euro. Zielgruppe sind die jährlich 20.000 neuen, bald auch die aktuell 400.000 Bestandskunden solcher Versicherungen, die sämtliche Begräbniskosten abdecken, um den Nachkommen keine Kosten zu verursachen.
Die Preise liegen je nach Alter und Prämienzahlungsdauer zwischen 1,40 und 1,90 Euro monatlich, bei Einmalzahlung in einer Größenordnung um 250 Euro. Erster und bisher einziger Anbieter dieser Kooperation mit Columba ist der „Wiener Verein“, eine Tochter der Wiener Städtischen Versicherung.