Ruppiges Raubein von drüben
In memoriam Manfred Krug – ein auch musikalisch temperamentvolles Urgestein der deutschsprachigen Film- und Fernsehszene.
Es gibt nicht viele Fernsehschauspieler deutscher Zunge, denen es gelungen ist, in mehreren Serien Bekanntheit zu erlangen. Manfred Krug, dessen Lebensgeschichte ein Abenteuer für sich ist, zählt zu diesen. Berühmt wurde Krug als Hamburger „Tatort“-Kommissar Stoever an der Seite von Charles Brauer. Unvergesslich sind die Gesangsduette, mit denen die beiden ihre jeweiligen Fälle zu beschließen pflegten. Selten peinlich, oft stimmungsvoll oder berührend.
Außerdem gab Krug mit seiner unterschwelligen humoristischen Begabung dem Berliner Anwalt namens Liebling ein unverkennbares Profil – mit schrillen Krawatten, einer Vorliebe für weiche Sofas (auch im Büro) sowie Wackelpudding. „Liebling Kreuzberg“war die Geschichte eines Bonvivants in Anwaltsrobe mit einer kessen Sekretärin und einer aufgeweckten Tochter, gespielt von Roswitha Schreiner. Derer angesichtig, und ihr den unvermeidlichen Geldwunsch von den fragenden „Papa“-Augen ablesend, sagte Anwalt Liebling lediglich: „Wie viel?“
Die Figur und die Geschichten des „Lieblings“wurden vom genialen Autor Jurek Becker (1937–1997, „Jakob der Lügner“) erfunden, der auch die Drehbücher von drei der fünf Staffeln schrieb und Krug aus einer Ostberliner Wohngemeinschaft kannte.
Krug war bereits in der DDR ein Schauspielstar, blieb allerdings nach seinem Gang in den Westen zunächst von einer hartnäckigen Arbeitslosigkeit verfolgt. Schließlich ergatterte er aber die Rolle eines abenteuerlustiger Truckfahrers, in der unspektakulären Vorabendserie „Auf Achse“. Für dieses Engagement war er so dankbar, dass er – obwohl inzwischen auch im Westen ein gefragter Darsteller – der schlichten Reihe (1977–1996) treu blieb und so in einem Großteil der 86 Episoden zu sehen ist.
Noch in der DDR schrieb Krug mit der Rolle des aufmüpfigen Zimmermanns Hannes Balla in „Spur der Steine“Filmgeschichte. Der 1965 gedrehte Film von Frank Beyer lag danach allerdings mehr als 20 Jahre im Giftschrank. „Meine bis dahin schönste Rolle – futsch“, erboste sich Krug, der durchaus auch aufbrausend sein konnte. Der Film habe „zwei Sorten Elend“in der DDR gezeigt, schrieb Krug in seinen „Bilderbuch“-Erinnerungen: „Die verheuchelte Parteimoral einerseits und die katastrophalen Arbeitsbedingungen andererseits.“
In der DDR galt er zunächst als „Tausendsassa der DEFA-Filme“, als er bei den Babelsberger Studios ab 1961 unter Vertrag stand. Von 1969 bis 1973 wurde er in der DDR mehrmals zum Publikumsliebling gewählt. Später war er im Westen das liebenswerte und manchmal auch ruppige „Raubein, das von drüben kam“, wie ihn Zeitungen nannten.
So treu- und warmherzig sich Krug oft vor der Kamera gab, war er in seinem Beruf nicht immer. Er war selten verdrießlich zu sehen, grantig aber schon. Marotten wusste er zu pflegen, immer aufgeschlossen für neue Annehmlichkeiten.
Gesundheitliche Warnhinweise wie ein Schlaganfall 1997 in seiner Berliner Wohnung, von dem er sich ironischerweise in einer Rehaklinik auf dem Gelände der einstigen „SED-Bonzensiedlung“Wandlitz erholte, waren ihm aber Signal genug kürzerzutreten.
Neben seinen Gesangseinlagen im „Tatort“, die bald auch Nachahmer fanden, ließ er auch nach seiner Krankheit mit musikalischen Ausflügen als Jazz-Interpret und Chansonsänger („Es steht ein Haus in New Orleans“) neben der Leipziger Sängerin Uschi Brüning von sich hören.