Modellprojekte im multikonfessionellen Nahost-Staat Libanon bringen muslimische und christliche Kinder zusammen.
Drunten, in der Küstenmetropole Beirut, ist es noch heiß. Droben, im Libanongebirge, weht schon ein kühler Wind. Broumana liegt auf 800 Metern Höhe und ist für die Elite der libanesischen Hauptstadt eine gern genutzte Sommerfrische. Es gibt auch Luxusschulen für die Sprösslinge der Reichen hier. Aber nie und nimmer käme den Verantwortlichen dieser Institute in den Sinn, was am gleichen Ort die katholische Privatschule St. Vinzenz praktiziert: Sie öffnet ihre Tore auch für Muslime. Von rund 360 Schülern sind derzeit 130 Kinder aus oft sehr armen Flüchtlingsfamilien aus Syrien.
In diesem christlichen Kerngebiet des Libanon gibt es Widerstand gegen die Aufnahme muslimischer Kinder, in der Nachbarschaft und sogar bei Lehrern. Aber Schuldirektorin Zahia Frangie betont zuallererst die Botschaft: „Diese Kinder sind Opfer. Sie dürfen nicht den Preis für den Krieg bezahlen.“
Im Libanon ist ja alles durch die Konfession definiert, alles nach der Konfession aufgeteilt: Man ist Christ oder Muslim. Ein Nationalpakt von 1943 fixiert bis heute auch die Machtaufteilung im Land. Der Staatspräsident ist stets ein christlicher Maronit, der Premier immer ein Sunnit und der Parlamentspräsident nach wie vor ein Schiit. Weil die muslimische Bevölkerung stärker wuchs, drängte sie auf mehr politische Mitsprache, was die christliche Seite aber ablehnte – ein Auslöser des verheerenden Bürgerkriegs in den Jahren von 1975 bis 1990.
Die Libanesen haben es nicht geübt zusammenzuleben. In der Schule St. Vinzenz aber versucht man, die Trennungslinien des „konfessionellen Systems“zu überwinden. Ein großes Glück für Miryam, eine Elfjährige aus Syrien. Ihre Familie wollte aus dem Libanon zurück in die Heimat, geriet dort aber wieder in den Krieg. Die Mutter des Mädchens ist seither traumatisiert. „Sie kann nichts machen,“erzählt Miryam mit stockender Stimme. Die Schule in Broumana ist ein von der Caritas Salzburg unterstütztes Pilotprojekt. Es soll die Flüchtlingskinder umfassend integrieren, wie Internatsleiterin Marie Ghia erläutert. Es gibt ein gemeinsames Mittagessen für die libanesischen und die syrischen Kinder. Am Nachmittag stehen für die syrischen Flüchtlingskinder drei zusätzliche Stunden auf dem Programm, damit sie Lektionen in Englisch und Französisch nachholen und den gleichen Standard wie die libanesischen Kinder erreichen können. Für den Bustransport nach Hause wird ebenso gesorgt wie für eine psychologische Betreuung der Kinder. Denn „sie haben den Krieg gesehen oder gehört,“sagen die Lehrer.
Auch in Beth Aleph („Haus des Alphabets“) sitzen christliche und muslimische Kinder zusammen; sie tauschen ihre jeweilige Kultur miteinander aus; sie kennen zum Beispiel die Feiertage der anderen religiösen Gruppe. Geht der Besucher durch die Räume dieses von der Caritas Salzburg geförderten Vorschulprojekts in Beiruts christlichem Stadtteil Achrafieh, signalisieren ihm Schilder, welche elementaren Rechte alle Kinder haben sollten: Schutz vor Diskriminierung und Krieg etwa; die Möglichkeit, die eigene Meinung frei äußern zu können; das Recht überhaupt auf ein „normales Leben“.
Die 106 Kinder von Beth Aleph stammen aus 15 verschiedenen Nationen. In der Mehrzahl sind es Kinder von Migranten aus asiatischen und afrikanischen Ländern. Es gibt aber auch etwa 30 syrische Flüchtlingskinder. Beth Aleph findet Anerkennung, es wird immer wieder im Fernsehen gezeigt. „Aber bisher hat sich niemand berufen gefühlt, nach unserem Beispiel anderswo im Land aktiv zu werden,“erklärt Vorschulleiter Ziad Haddad. Am Montag: Wenn Flüchtlinge zur Konkurrenz für Migranten werden.