Technik kauft Inhalt: Denn sie geht und er bleibt
AT&T schluckt Time Warner: Das muss keine Niederlage besiegeln, sondern kann eine Auferstehung bedeuten.
Wenn AT&T Time Warner kauft, ist das noch mehr als die 2016 global größte Übernahme eines Unternehmens. Damit erreicht die Shoppingtour von Technologiekonzernen bei Inhaltsschöpfern den Höhepunkt. Dass Carlos Slim, Mehrheitseigner von América Móvil und A1 Telekom, längst auch größter Gesellschafter der „New York Times“ist, wirkt dagegen als Kleinigkeit. Sogar Jeff Bezos’ Erwerb der „Washington Post“als komplementäres Konzernelement für seinen digitalen Versandhandel Amazon erscheint geringfügig angesichts des aktuellen Zusammenschlusses: Die deutlich größte Telekommunikationsfirma der Welt legt sich das ehemals stärkste Medienkonglomerat zu.
Ausgerechnet an diesem Zenit des großen Fressens ist zwar nicht fraglich, wer hier wen kauft, aber welcher Partner langfristig wichtiger bleibt. Die Bastler der technischen Infrastruktur scheinen diesen Wettbewerb mit den Content-Bringern für Information und Unterhaltung gewonnen zu haben. Doch dieser vermeintlich klare Match-Ausgang zwischen Käufern und Gekauften trügt. Denn ist der Vertrieb erst gesichert, entscheidet das kreative Angebot. Nicht nur die Telekom-Giganten und Onlinekolosse wie Amazon wissen, dass ihr technisch getriebenes Angebot bald ausgereizt sein wird. Dann aber zieht die Karawane weiter – zu den besten Inhalten.
Apps, Networks, Plattformen sind nur Sand in der digitalen Wüste. Oasen der Kommunikationsära entstehen nicht durch Bits und Bytes. Storytelling bleibt das Erfolgsrezept trotz der Atemlosigkeit in postfaktischen Zeiten. Deshalb sind die guten alten Medien wieder gefragt. Darum erwerben Technologiekolosse Qualitätszeitungen und Hollywoodstudios. Das ist der Grund für die Charmeoffensiven von Google und Facebook, Apple und Samsung gegenüber Verlegern und Journalisten.
Digitalisierer brauchen also hochwertige Inhalte. Aber sie haben gelernt, dass sie den Bedarf selbst nicht vollends decken können. Das war Lektion eins.
Sie lernen jetzt, dass auch das instrumentalisierte Social-Media-Heer vor allem die guten alten Medien zitiert. Das ist Lektion zwei.
Sie werden noch lernen, dass der aus dem Kaufrausch zu erahnende Respekt vor Inhaltsmachern ihre Unternehmenskultur und Hierarchien verändern muss, weil sie sonst wohl vollkommen wirkungsarm bleiben. Das wird Lektion drei.
Die drei Lektionen für die guten alten Medienmacher lauten hingegen: 1. Glaubwürdigkeit und Vertrauen sind alles. 2. Das Fell so teuer wie möglich verkaufen. 3. Vorwärts in diese Vergangenheit. Peter Plaikner