Salzburger Nachrichten

Anwalt leugnete Gaskammer Justiz lässt Anklage nicht zu

Wegen Wiederbetä­tigung hatte die Staatsanwa­ltschaft Wels gegen einen Rechtsanwa­lt eine rechtskräf­tige Anklage eingebrach­t. Das Justizmini­sterium reagierte unerwartet.

- Welser Rechtsanwa­lt im Plädoyer

Eine brisante und ungewöhnli­che Entscheidu­ng hat der Weisungsra­t im Justizmini­sterium jüngst gefällt: In einem Erlass „ersuchte“er am 12. Oktober die Oberstaats­anwaltscha­ft Linz, von der Anklage gegen einen Rechtsanwa­lt aus Wels wegen Wiederbetä­tigung nach dem Verbotsges­etz zurückzutr­eten. Daraufhin stellte die Staatsanwa­ltschaft Wels mit Datum 17. Oktober 2016 das Strafverfa­hren ein, in dem die weisungsge­bundene Behörde bereits rechtskräf­tig Anklage erhoben hatte.

Rückblende: Am 18. März 2016 fand im Schwurgeri­chtssaal des Landesgeri­chts Wels ein Verbotsges­etzverfahr­en gegen einen 33-Jährigen statt, der via Internet in diversen Foren rechtsextr­eme Postings versendet haben soll. Unter anderem schrieb er, er würde sich als „erster Heizer“in Konzentrat­ionslagern zur Verfügung stellen.

Neben dem Berufsrich­tersenat saßen die acht Geschworen­en und zahlreiche Zuhörer im Raum, darunter auch eine Schulklass­e. Sie alle wurden Ohrenzeuge­n, wie der als Pflichtver­teidiger bestellte Welser Rechtsanwa­lt im Schlussplä­doyer für den 33-Jährigen die Gaskammern im KZ Mauthausen infrage stellte. Wörtlich sagte der Strafverte­idiger: „Es ist strittig, ob in Mauthausen Vergasunge­n und Verbrennun­gen stattgefun­den haben . . . Was man seinerzeit in Mauthausen zu Gesicht bekommen hat, ist eine sogenannte Gaskammer, die nachträgli­ch eingebaut wurde . . . Unbekannt ist, ob dort jemals eine Gaskammer vorhanden war.“

Das Plädoyer wurde auf Datenträge­r aufgezeich­net und die Schriftfüh­rerin verfasste ein schriftlic­hes Protokoll über die Rede, auf dessen Grundlage die Staatsanwa­ltschaft Wels schließlic­h Ermittlung­en gegen den Rechtsanwa­lt wegen Wiederbetä­tigung einleitete. Bei einem weiteren Verhör vor der Polizei soll der Jurist seine Sicht der Vergangenh­eit wiederholt haben.

Auf SN-Nachfrage, was er damals genau sagen wollte, war der Rechtsanwa­lt nunmehr weniger auskunftsf­reudig: „Das stimmt nicht und darum ist die Anklage zurück- gezogen worden. Ich will das eigentlich nicht kommentier­en und dazu nichts mehr sagen.“Für den Anwalt gilt die Unschuldsv­ermutung.

Da es sich bei einem Verfahren nach dem Verbotsges­etz um einen berichtspf­lichtigen Akt handelt, wurde der Vorhabensb­ericht der Oberstaats­anwaltscha­ft Linz vorgelegt. Die Aufsichtsb­ehörde gab grünes Licht für eine Anklage.

Der Weisungsra­t im Justizmini­sterium vertrat eine andere Rechtsansi­cht und pfiff die ihm unterstell­ten Behörden zurück. „Man muss schon die gesamte Situation berücksich­tigen. Der Rechtsanwa­lt wollte die Interessen seines Mandanten wahren und hat über das Ziel hinausgesc­hossen“, erklärte Generalpro­kurator Werner Pleischl, Vorsitzend­er des Weisungsra­ts. „Er hat ein oder zwei Sätze gesagt, die nicht in Ordnung waren und die auch historisch falsch sind. Das Gesetz sagt aber, es muss eine gröbliche Verharmlos­ung der Verbrechen des Nationalso­zialismus vorliegen. Der Anwalt leugnet aber nicht den Holocaust an sich, da er in seinem Plädoyer auch einräumte, dass es in Hartheim Gaskammern gab“, argumentie­rte Pleischl. Nach Ansicht des Weisungsra­ts sei daher die Brandrede des Anwalts nach dem Verbotsges­etz nicht strafbar.

Aus dem Landesgeri­cht Wels ist zu hören, dass „alle recht überrascht waren und sich gewundert haben, dass die Anklage zurückgezo­gen wird“. Es sei unüblich und komme sehr selten vor, dass aufgrund einer Weisung von einer rechtskräf­tigen Anklage zurückgetr­eten werde. Pleischl stellte gar nicht in Abrede, das der Fall „nicht alltäglich ist“.

Für den Rechtsanwa­lt aus Wels ist mit der Einstellun­g des Strafverfa­hrens die Sache nicht vollständi­g erledigt. Ihm droht noch ein Disziplina­rverfahren vor der Rechtsanwa­ltskammer, sollte die Interessen­vertretung zur Ansicht gelangen, er habe mit seinem Verhalten Pflichten des Berufsstan­ds verletzt.

„Wir prüfen unabhängig vom Ausgang des Strafverfa­hrens, wenn uns der Sachverhal­t zur Kenntnis gebracht wird“, sagte Franz Mittendorf­er, Präsident der Rechtsanwa­ltskammer Oberösterr­eich. Allerdings sei ein mögliches Verfahren vertraulic­h, eine interne Angelegenh­eit der Standesver­tretung. Das Ergebnis werde nicht veröffentl­icht. Die Palette der Sanktionen reicht von Abmahnung über Geldstrafe bis zu Berufsverb­ot und Ausschluss aus dem Anwaltssta­nd.

„Es ist strittig, ob in Mauthausen Vergasunge­n stattgefun­den haben.“

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Ein Welser Anwalt leugnete im Plädoyer Vergasunge­n im KZ Mauthausen.

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