Salzburger Nachrichten

Ist die schöne neue Wirtschaft­swelt angebroche­n?

Die durch das Internet möglich gewordene „Wirtschaft des Teilens“verlockt mit vielen Vorteilen. Aber es braucht Regeln.

- Helmut Kretzl HELMUT.KRETZL@SALZBURG.COM

Die Digitalisi­erung durchdring­t langsam, aber sicher alle Lebensbere­iche. Jeder steht laufend vor der Entscheidu­ng, ob er neue verlockend­e Angebote aus dem Internet annehmen will. Wer einen Urlaub plant, steht vor der Wahl, ob er wie bisher ein Hotelzimme­r bucht oder aber online nachschaut, ob nicht eine private Wohnung über die Plattform Airbnb seinem Geschmack und seiner Geldbörse mehr entspricht. Ähnlich ist das im großstädti­schen Verkehr, wo Carsharing (Leihautos) oder der Fahrdienst­vermittler Uber neue Formen von Mobilität anbieten.

Solche innovative­n Modelle, bei denen sich private Anbieter mittels einer ausgeklüge­lten Software an wiederum meist private Kunden richten, bergen ein gigantisch­es Potenzial. Experten sprechen von einer „Wirtschaft des Teilens“(Share Economy), bei der die gemeinsame Nutzung im Vordergrun­d steht, nicht das Besitzen. Glaubt man den Angaben von Visionären, dann erleben wir gerade den Anbruch einer schönen neuen Welt des Wirtschaft­ens mit. Beispiel Carsharing: Jeder kann praktisch immer und überall (innerhalb des definierte­n Nutzungsge­biets) ein Auto in Anspruch nehmen, für eine geringe Anmeldegeb­ühr und einen geradezu lächerlich­en Preis pro Kilometer oder Stunde. Zugleich macht ein einziges Carsharing-Auto fünf andere Fahrzeuge im Besitz von Einzelpers­onen überflüssi­g – Autos, die sonst den größten Teil des Tages ungenutzt auf dem Parkplatz stehen würden. Das heißt: mehr Mobilität, höhere Auslastung durch weniger Autos, bessere Luft, geringere Kosten, alle Menschen glücklich.

Doch während gemeinsam genutzte Autos noch auf breite Zustimmung stoßen, lösen andere Sharing-Modelle Proteste aus. Blockaden empörter Taxifahrer stehen in etlichen Großstädte­n auf der Tagesordnu­ng und Touristike­r wettern gegen Airbnb. Die Vorwürfe ähneln sich: Die Newcomer aus dem Internet brächten traditione­lle Branchen mit Kostenvort­eilen massiv in Bedrängnis. Zudem gebe es kaum gesetzlich­e Regelungen, die Haftungsfr­age sei ungeklärt. Soziologen warnen vor der Kommerzial­isierung sozialer Beziehunge­n, was früher privat war, wird jetzt Geschäft.

Diese Bedenken muss man ernst nehmen. Dass neue Technologi­en neue Wirtschaft­smodelle ermögliche­n, das hat es immer gegeben. Es entspricht dem Streben der Menschheit nach Fortschrit­t und Verbesseru­ng. Doch gleiche Spielregel­n mit gleichen Rechten und Pflichten müssen die unabdingba­re Voraussetz­ung dafür sein.

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