Was die Wirtschaft besser macht
Würde die Wirtschaft so dilettantisch agieren wie die Politik, hätten wir außer Steireranzügen, Schnaps und Skilehrern nicht viel zu exportieren.
Zum Beispiel Alpla. Ein österreichisches Familienunternehmen, gegründet 1955, Firmensitz in Hard, Vorarlberg. Es ist schwer, sich dieser Firma zu entziehen. Wer morgens ein Fläschchen mit Duschgel öffnet, wer mittags eine Flasche Cola erwirbt, wer nachmittags mittels einer Sprühflasche mit Küchenreiniger seinem Putztrieb frönt, hat mit großer Wahrscheinlichkeit ein Produkt von Alpla in der Hand gehabt. Denn Alpla ist ein weltweit führender Hersteller von Kunststoffverpackungen. Mit 16.500 Mitarbeitern in 159 Produktionsstätten auf sämtlichen Kontinenten außer Australien.
Besonders aktiv ist Alpla in Mexiko, wohin das Unternehmen sogar das österreichische duale System der Berufsausbildung exportiert hat. Junge Leute können in den dortigen Niederlassungen vier Lehrberufe erlernen, und zwar in (Berufsschul-)Theorie und Praxis, inklusive Abschlussprüfung und Zertifikat, ganz wie in Österreich. Dies macht Alpla zu einem begehrten Arbeitgeber in dem aufstrebenden mittelamerikanischen Land.
Oder, anderes Beispiel: Frequentis, gegründet 1947 in Wien. Heute ist das Unternehmen Weltmarktführer für sichere Kommunikationsnetze – sei es für den öffentlichen Verkehr, für die Landesverteidigung oder die Schifffahrt. In Mexiko wickelt Frequentis nahezu die gesamte Flugkontrolle ab. Der Flughafen der Millionenmetropole Mexiko-Stadt – es handelt sich um den größten von Lateinamerika – ist ohne Frequentis nicht denkbar. Kürzlich wurde der tausendste vollausgestattete Aircontrol-Arbeitsplatz errichtet.
Das sind nur zwei Beispiele österreichischer Firmen, die auf internationaler Ebene von Erfolg zu Erfolg eilen. Wer – wie Ihr „Klartext“Autor, der sich auf Einladung des Infrastrukturministeriums einige Tage in Mexiko umsehen konnte – das Gespräch mit Auslandsösterreichern sucht, dem wird um Österreichs Wirtschaft nicht bange. Österreichische Unternehmer und Manager behaupten sich mit großer Selbstverständlichkeit und mit großem Erfolg auch auf den schwierigsten Märkten. Was dazu führt, dass unser Land bereits 54 Prozent seines Bruttonationalprodukts der Exportwirtschaft verdankt. Die Wirtschaft, vor allem die Exportwirtschaft, schafft das nötige Kleingeld zur Finanzierung unseres Sozialstaats.
Bemerkenswerterweise ist die öffentliche Wahrnehmung von diesem Faktum relativ unberührt. So gilt beispielsweise der Freihandel, der eine wesentliche Voraussetzung für das Gedeihen der Exportwirtschaft ist, in weiten Kreisen der Bevölkerung als Teufelszeug. Die roten Gewerkschafter treffen sich mit den blauen Populisten in ihrer Ablehnung von CETA, beide Präsidentschaftskandidaten wollen das dazugehörige Gesetz nicht unterzeichnen, doch noch keiner der CETA-Gegner verkündete bisher, wie dieses Land ohne freien Handel seinen Wohlstand sichern soll.
Auch „die Wirtschaft“als solche ist bei vielen Zeitgenossen ausschließlich negativ konnotiert, sogar in der angeblichen Wirtschaftspartei ÖVP. Deren Obmann Reinhold Mitterlehner musste sich dieser Tage heftige Kritik aus dem ÖVP-Arbeitnehmerbund ÖAAB anhören, weil er sich in seiner kürzlich gehaltenen Wirtschaftsrede „der Wirtschaft in den süßesten Tönen angepriesen“habe. Dass „die Wirtschaft“jene Arbeitsplätze schafft, denen der ÖAAB erst seine Existenz verdankt, hat sich in diese Kreise offensichtlich noch nicht herumgesprochen.
Und noch etwas fällt erst dann so richtig auf, wenn man den Blick aus der großen Welt nach Österreich richtet: Wie lächerlich – und wie lächerlich klein – die Probleme sind, die Österreichs Politik seit Jahren lähmen. Bei der Reform der Mindestsicherung, bei der Abschaffung der kalten Progression, bei der Durchforstung der Gewerbeordnung handelt es sich um Problemlösungen im Millimeterbereich. Und dennoch geht nichts weiter, und dennoch ist es den handelnden Personen und Parteien nicht möglich, tragfähige Kompromisse zu schließen. Dass in Österreich selbst die Ladenöffnungszeiten, die Schanigartenverordnungen und die Frage, ob sich Schwule auf dem Standesamt verpartnern dürfen oder nicht, zu monatelangen fruchtlosen Debatten führen, sei nur der Vollständigkeit halber vermerkt. Verhielte sich Österreichs Exportwirtschaft ähnlich problemlösungsorientiert wie Österreichs Politik, hätte unser Land außer Steireranzügen, Schnaps und Skilehrern nicht viel zu exportieren.