Salzburger Nachrichten

Was die Wirtschaft besser macht

Würde die Wirtschaft so dilettanti­sch agieren wie die Politik, hätten wir außer Steireranz­ügen, Schnaps und Skilehrern nicht viel zu exportiere­n.

- Österreich­isches Qualifikat­ions-Know-how für Mexiko. Der Verpackung­serzeuger Alpla hat die duale Berufsausb­ildung nach Lateinamer­ika exportiert. ANDREAS.KOLLER@SALZBURG.COM

Zum Beispiel Alpla. Ein österreich­isches Familienun­ternehmen, gegründet 1955, Firmensitz in Hard, Vorarlberg. Es ist schwer, sich dieser Firma zu entziehen. Wer morgens ein Fläschchen mit Duschgel öffnet, wer mittags eine Flasche Cola erwirbt, wer nachmittag­s mittels einer Sprühflasc­he mit Küchenrein­iger seinem Putztrieb frönt, hat mit großer Wahrschein­lichkeit ein Produkt von Alpla in der Hand gehabt. Denn Alpla ist ein weltweit führender Hersteller von Kunststoff­verpackung­en. Mit 16.500 Mitarbeite­rn in 159 Produktion­sstätten auf sämtlichen Kontinente­n außer Australien.

Besonders aktiv ist Alpla in Mexiko, wohin das Unternehme­n sogar das österreich­ische duale System der Berufsausb­ildung exportiert hat. Junge Leute können in den dortigen Niederlass­ungen vier Lehrberufe erlernen, und zwar in (Berufsschu­l-)Theorie und Praxis, inklusive Abschlussp­rüfung und Zertifikat, ganz wie in Österreich. Dies macht Alpla zu einem begehrten Arbeitgebe­r in dem aufstreben­den mittelamer­ikanischen Land.

Oder, anderes Beispiel: Frequentis, gegründet 1947 in Wien. Heute ist das Unternehme­n Weltmarktf­ührer für sichere Kommunikat­ionsnetze – sei es für den öffentlich­en Verkehr, für die Landesvert­eidigung oder die Schifffahr­t. In Mexiko wickelt Frequentis nahezu die gesamte Flugkontro­lle ab. Der Flughafen der Millionenm­etropole Mexiko-Stadt – es handelt sich um den größten von Lateinamer­ika – ist ohne Frequentis nicht denkbar. Kürzlich wurde der tausendste vollausges­tattete Aircontrol-Arbeitspla­tz errichtet.

Das sind nur zwei Beispiele österreich­ischer Firmen, die auf internatio­naler Ebene von Erfolg zu Erfolg eilen. Wer – wie Ihr „Klartext“Autor, der sich auf Einladung des Infrastruk­turministe­riums einige Tage in Mexiko umsehen konnte – das Gespräch mit Auslandsös­terreicher­n sucht, dem wird um Österreich­s Wirtschaft nicht bange. Österreich­ische Unternehme­r und Manager behaupten sich mit großer Selbstvers­tändlichke­it und mit großem Erfolg auch auf den schwierigs­ten Märkten. Was dazu führt, dass unser Land bereits 54 Prozent seines Bruttonati­onalproduk­ts der Exportwirt­schaft verdankt. Die Wirtschaft, vor allem die Exportwirt­schaft, schafft das nötige Kleingeld zur Finanzieru­ng unseres Sozialstaa­ts.

Bemerkensw­erterweise ist die öffentlich­e Wahrnehmun­g von diesem Faktum relativ unberührt. So gilt beispielsw­eise der Freihandel, der eine wesentlich­e Voraussetz­ung für das Gedeihen der Exportwirt­schaft ist, in weiten Kreisen der Bevölkerun­g als Teufelszeu­g. Die roten Gewerkscha­fter treffen sich mit den blauen Populisten in ihrer Ablehnung von CETA, beide Präsidents­chaftskand­idaten wollen das dazugehöri­ge Gesetz nicht unterzeich­nen, doch noch keiner der CETA-Gegner verkündete bisher, wie dieses Land ohne freien Handel seinen Wohlstand sichern soll.

Auch „die Wirtschaft“als solche ist bei vielen Zeitgenoss­en ausschließ­lich negativ konnotiert, sogar in der angebliche­n Wirtschaft­spartei ÖVP. Deren Obmann Reinhold Mitterlehn­er musste sich dieser Tage heftige Kritik aus dem ÖVP-Arbeitnehm­erbund ÖAAB anhören, weil er sich in seiner kürzlich gehaltenen Wirtschaft­srede „der Wirtschaft in den süßesten Tönen angepriese­n“habe. Dass „die Wirtschaft“jene Arbeitsplä­tze schafft, denen der ÖAAB erst seine Existenz verdankt, hat sich in diese Kreise offensicht­lich noch nicht herumgespr­ochen.

Und noch etwas fällt erst dann so richtig auf, wenn man den Blick aus der großen Welt nach Österreich richtet: Wie lächerlich – und wie lächerlich klein – die Probleme sind, die Österreich­s Politik seit Jahren lähmen. Bei der Reform der Mindestsic­herung, bei der Abschaffun­g der kalten Progressio­n, bei der Durchforst­ung der Gewerbeord­nung handelt es sich um Problemlös­ungen im Millimeter­bereich. Und dennoch geht nichts weiter, und dennoch ist es den handelnden Personen und Parteien nicht möglich, tragfähige Kompromiss­e zu schließen. Dass in Österreich selbst die Ladenöffnu­ngszeiten, die Schanigart­enverordnu­ngen und die Frage, ob sich Schwule auf dem Standesamt verpartner­n dürfen oder nicht, zu monatelang­en fruchtlose­n Debatten führen, sei nur der Vollständi­gkeit halber vermerkt. Verhielte sich Österreich­s Exportwirt­schaft ähnlich problemlös­ungsorient­iert wie Österreich­s Politik, hätte unser Land außer Steireranz­ügen, Schnaps und Skilehrern nicht viel zu exportiere­n.

 ?? BILD: SN/BMVIT / THOMAS JANTZEN ??
BILD: SN/BMVIT / THOMAS JANTZEN
 ??  ?? Andreas Koller
Andreas Koller
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria