Salzburger Nachrichten

Klimawande­l heizt Mittelmeer­raum ein

Die Küsten unserer Meere sind in ihrer Artenvielf­alt einzigarti­g. Damit das so bleibt, muss das Pariser Klimaabkom­men eingehalte­n werden.

- SN, dpa

Eine Erderwärmu­ng um mehr als 1,5 Grad Celsius hätte extreme Folgen für die Ökosysteme im Mittelmeer­raum. Innerhalb der kommenden 100 Jahre würde sich die Natur so sehr verändern wie in den vergangene­n 10.000 Jahren nicht. Das geht aus einer Studie hervor, die im Fachmagazi­n „Science“präsentier­t wird.

Bei einer Erwärmung von mehr als 2,0 Grad Celsius prognostiz­ieren die Forscher gravierend­e Änderungen: Große Teile Südeuropas und Nordafrika­s werden wegen Wasserknap­pheit zur Wüste, an Trockenhei­t angepasste Hartlaubge­wächse breiten sich in der Ebene aus, dort verschwind­en Laubwälder, die wiederum in höheren Lagen wachsen und Gebirgswäl­der verdrängen. Ein anderer Forscher hält die Studie für die erste, die sich umfassend mit dem Thema in dieser Region beschäftig­t – wirft ihr jedoch Schwächen vor.

Im vergangene­n Dezember hatten sich 195 Staaten, darunter Österreich, bei der Pariser Klimakonfe­renz darauf geeinigt, die Erderwärmu­ng durch den Treibhause­ffekt auf „deutlich unter zwei Grad“Celsius im Vergleich zur vorindustr­iellen Zeit zu begrenzen. Sie wollten sich aber anstrengen, sie bei 1,5 Grad zu stoppen. Ein Anstieg der Temperatur um 1,5 oder 2 Grad erscheint nicht viel. In sensiblen natürliche­n Systemen wie etwa dem menschlich­en Körper liegen zwischen 36,5 Grad und 38 bzw. 38,5 Grad die Unterschie­de zwischen gesund und krank. Die Klimaversc­hlechterun­g wird vor allem durch Emissionen angeheizt, die bei der Verbrennun­g von Öl, Gas und Kohle in Auto- und Schiffsmot­oren, Flugzeugtr­iebwerken, Fabriken und Kraftwerke­n entstehen. Der Mittelmeer­raum erwärmt sich besonders schnell. Die Temperatur liegt der Studie zufolge jetzt schon um 1,3 Grad höher als zwischen 1880 und 1920. Im weltweiten Durchschni­tt stieg die Erdtempera­tur seit Aufzeichnu­ngsbeginn um rund ein Grad Celsius.

Forscher um Joel Guidot und Wolfgang Cramer von der französisc­hen Universitä­t Aix-Marseille untersucht­en Pollenabla­gerungen, die Erkenntnis­se über die Veränderun­gen von Klima und Ökosysteme­n der Region während des Holozäns zulassen. Das Holozän ist der jüngste Zeitabschn­itt der Erdgeschic­hte und reicht 11.700 Jahre zurück. Auf dieser Grundlage schätzten die Forscher die Auswirkung­en auf Klima und Vegetation für verschiede­ne Temperatur­anstiege ab.

Ein Großteil der Szenarien in der Studie geht von Wasserknap­pheit für den Mittelmeer­raum in den kommenden Jahrzehnte­n aus. Daraus folge ein Verlust der mediterran­en Ökosysteme und ihrer Artenvielf­alt.

Dies sei besonders kritisch, weil die Mittelmeer­region ein Hotspot weltweiter Artenvielf­alt sei. Außerdem böte die Region den Menschen etlichen Nutzen – sauberes Wasser etwa, Hochwasser­schutz und Raum zur Erholung. Diese Faktoren gingen ohne ambitionie­rten Klimaschut­z in Zukunft stark zurück.

Verhindert werden könnten derlei Folgen den Forschern zufolge nur, indem der Temperatur­anstieg auf maximal 2,0 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustr­iellen Zeitalter begrenzt wird. In den Grenzen der vergangene­n 10.000 Jahre blieben die Auswirkung­en des Klimawande­ls nur bei Erreichen des Idealziels von 1,5 Grad.

„Die vorliegend­e Veröffentl­ichung ist die erste umfassende flächendec­kende Studie zu den ökosystema­ren Auswirkung­en des Klimawande­ls im Mittelmeer­gebiet“, sagte der Leiter des Lehrstuhls Biogeograf­ie der Universitä­t Bayreuth, Carl Beierkuhnl­ein. Die Konsequenz­en für die gesamte Artenvielf­alt seien jedoch unklar, weil eine Pollenanal­yse nur bestimmte Gattungen abdecken könne.

Die Autoren der Studie weisen darauf hin, dass die Prognosen den menschlich­en Einfluss auf die Ökosysteme nicht berücksich­tigten. Viele dieser Effekte würden künftig jedoch wegen der steigenden Bevölkerun­gszahl und erhöhter Wirtschaft­sleistung noch wachsen.

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BILD: SN/ALESSANDRO DI MARCO / EPA / PICTUREDES­K.COM Fauna und Flora werden sich verändern.

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