Salzburger Nachrichten

„Bei einem Trauerfall am Arbeitspla­tz nicht wegschauen“

Scheu und Unsicherhe­it sind groß, wenn Kolleginne­n oder Kollegen einen nahen Angehörige­n verlieren. Doch der Umgang mit Verlust und Trauer kann das Betriebskl­ima stark beeinfluss­en.

- Kontakt über die kostenlose Beratung der AUVA zur Evaluierun­g psychische­r Belastunge­n am Arbeitspla­tz.

Doch zu groß ist oft die Unsicherhe­it der Umgebung, die dazu führt, lieber nichts zu sagen, um ja nichts Falsches zu sagen. Facebook-Geschäftsf­ührerin Sheryl Sandberg, die mit 45 Jahren Witwe wurde, formuliert­e drastisch, wie das auf sie wirkt: „Vielen Kollegen stand die Angst ins Gesicht geschriebe­n, wenn ich mich ihnen näherte.“

Zeitnot ist neben der Scheu ein weiterer Grund dafür, dass zwischen Arbeitskol­legen wenig über Todesfälle von nahen Angehörige­n geredet wird. Aber wenn das heißt „business as usual“, weitermach­en, als wenn nichts passiert wäre, wird das von Betroffene­n oft als verstörend erlebt. „Sich Zeit nehmen kann auch heißen, die Stille auszuhalte­n oder vielleicht ein längeres Schweigen“, sagt dazu die Salzburger Arbeits- und Organisati­onspsychol­ogin. Unter Umständen könne man mit der betroffene­n Kollegin oder dem Kollegen nur langsam ins Gespräch kommen. „Tod, Verlust und Trauer sind jedenfalls kein Thema, das zwischen Tür und Angel abgehandel­t werden kann.“

Auf die Frage, wer in einem Unternehme­n erste Ansprechpa­rtner für trauernde Mitarbeite­rinnen oder Mitarbeite­r sein könnten, nennt die Psychologi­n den Betriebsra­t, den Betriebsar­zt oder eine Sicherheit­svertrauen­sperson.

„Sehr in der Pflicht ist der oder die jeweilige Vorgesetzt­e“, unterstrei­cht Lanner. „Betroffene haben meist ein großes Bedürfnis danach, dass der Chef oder die Chefin auf sie zukommt. Es ist für sie eine Frage der Wertschätz­ung, ob sie auch als Mensch und nicht nur als Arbeitnehm­er gesehen werden.“Ein unangemess­enes Verhalten in dieser Situation kann das Betriebskl­ima und die Mitarbeite­rloyalität nachhaltig beeinträch­tigen und Hinterblie­bene vor den Kopf stoßen.

Wie immer sich der Vorgesetzt­e in einer solchen Situation verhalte – „das vergisst eine Mitarbeite­rin oder ein Mitarbeite­r nicht“, sagt Lanner. „Trauernde stehen in der ersten Zeit unter Schock. Da hat jedes Wort, das gesagt wird oder nicht gesagt wird, eine wesentlich größere Bedeutung als im gewöhnlich­en Alltag am Arbeitspla­tz. Da wird jeder Zuspruch oder Nichtzuspr­uch auf die Goldwaage gelegt.“

Die Fürsorgepf­licht eines Vorgesetzt­en kann es auch erforderli­ch machen, auf eine zeitweise eingeschrä­nkte Leistungsf­ähigkeit eines trauernden Mitarbeite­rs Rücksicht zu nehmen. „Ich muss sehen, dass der Betroffene vielleicht schlaflose Nächte hat und unter Umständen weniger konzentrie­rt ist“, sagt Lanner. „Es kann auch sein, dass eine vorübergeh­ende Entlastung des Mitarbeite­rs notwendig ist.“Aber jeder Eingriff in dessen Arbeitsber­eich und Kompetenz erfordere eine hohe Sensibilit­ät. Es dürfe bei dem Trauernden nicht der Eindruck entstehen: „Jetzt nehmen sie mir auch meine Arbeit noch weg.“

Wenn die Psychologi­n der AUVA in einen Betrieb gerufen wird, um einen Todesfall aufzuarbei­ten, dann geschieht das meist im Gruppenges­präch. „Sichtbar machen, was da ist, Worte finden für das, was alle spüren, aber nicht ausdrücken können, und die Emotionen zur Sprache bringen“sind die Ziele solcher Gespräche – damit nicht weiter unbeholfen geschwiege­n werden muss.

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BILD: SN/KZENON - FOTOLIA „Wenn du etwas brauchst, dann melde dich.“
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